Resident Evil: Retribution
Von Sebastian Selig // 26. September 2012 // Tagged: 3D, Anderson, Architektur, featured, Frauen, Science Fiction, Zombies // 4 Kommentare
RESIDENT EVIL: RETRIBUTION, dieses Pop-Art-Meisterwerk, welches beinahe allem anderen was ich in der letzten Zeit sah, gerade was das Erzählen angeht, um mindestens 5 Jahre voraus zu sein scheint. Alleine schon der Einstieg (bei dem mir durchweg Tränen der Beglückung in den Augen standen) gehört ja zu den atemberaubendsten 10 Minuten, die man in diesem 2012 auf einer Leinwand sehen konnte und es lässt sich ganz sicher nicht behaupten, der Film würde nach diesem furiosen Beginn dann auch nur einen Gang zurückschalten. Seine Räume, seine Gnadenlosigkeit, sein Feiern einer durch und durch neuen Künstlichkeit, all das in einer geradezu barocken Größe und erzählerischen Dichte, bei der kein Blatt Papier mehr zwischen die einzelnen Bilder passt. Fuck, einfach ein Meisterwerk, wie es dem Kino in der Größe lange nicht mehr geschenkt wurde.
Erzählt in einer neuen Bildsprache, die nach allen Richtungen bunt tiefschürfend Purzelbäume schlägt. Bei Anderson ist stets alles verdichtet auf den Ort, er prägt die Figur, den Film, den Zuschauer. Da werden keine Unterschiede gemacht. Gleich nach dem furiosen Einstieg entwirft er deswegen auch eine Rückblende auf die vorangegangen vier Filme, die er über in einem dunklen leeren Raum zerborstene Scherben schillern lässt, dem Zuschauer dabei die Lächerlichkeit des „Wie war nochmal die Story?“-Gedankens damit eindrucksvoll vor Augen führend.
Man hat sich da noch nicht die Schmauchspuren, die Tränen aus dem Gesicht gewischt, da stößt einen dieses Meisterwerk gleich erstmal rein in die Vorstadt. In die Hölle. Ceralienpackungen voller Glasscherben, werden aufgerissen. Draußen vor der Garagenauffahrt überall nur Feuer und Blut. Am Himmel, unbeweglich kalt, beobachtend: Halogenlicht, das sich später noch in Blut-gebrandeten, strahlend weißen Kammern und Fluchtwegen bündeln wird.
Hier unten, in den gigantischen Testräumen findet dieser Film ganz zu sich. Tokyo, New York (kurz blitzt am Rande auch nochmal Berlin auf)…alles nur nachgebaut, wie die Figuren, die hier mit unendlicher Grausamkeit immer wieder durch die Zerstörung geschickt werden. Wie in derart philosophischer Tiefe so vielleicht nur noch von UNIVERSAL SOLDIER: DAY OF RECKONING durchgespielt, sind hier alle Gefangene in einem Hades, der sie wieder und wieder in den Schmerz zwingt. Auf der Ebene ist RESIDENT EVIL: RETRIBUTION natürlich auch die gewaltigste Computerspiele-Verfilmung die nur denkbar ist, reflektiert sie doch gleichzeitig auf höchst subtile Weise die stete Gefangenheit in dieser Welt. Verdammt, und was für großartige Loops der Film dabei zieht. Wie es ihm als ersten Film überhaupt wirklich nachdrücklich und mitreißend gelingt „Level-Design“ in eine Filmsprache zu übersetzen, die nicht nur Sinn ergibt, sondern Dir auch dein Herz mit Erschütterung flutet. Passend mit einem sarkastischen „New York“ auf den Lippen kommentiert von Milla Jovovich, diese Eisprinzessin, quatsch Königin. Überhaupt Jovovich, wer im Kino der Gegenwart vermag ihr da was Kontrolle und Ausdruckskraft angeht überhaupt das Wasser reichen? Rodriguez? Nicht mal nahe dran (wenn auch umwerfend). In diesem in jeglicher Hinsicht umwerfenden Frauenfilm (Männer tauchen hier nur am Rande in Dritt- oder Viert-Besetzung auf). Verdammt, wie konnte soviel Kunst bei dem Budget überhaupt durchgehen? Wie hier ein Film entstehen, der vom ersten bis zum letzen Bild „Arthouse“ brüllt und dabei aussieht als habe er gefühlt 200 Mio. $ gekostet? Egal, der Erfolg gibt hier im Zweifel ja allen Recht. Was für ein Film. Was für ein Geschenk. Danke.
Deutschland/Kanada 2012, Regie: Paul W.S. Anderson
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Resident Evil: Retribution
4 Kommentare zu "Resident Evil: Retribution"
@mrkritik: Was an den wirklich bodenlosen Teilen 2 und 3 gut sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis (ich nehme an, „erste Teile“ gilt mindestens bis Nr. 3).
Ich halte die Besprechung für etwas übertrieben, aber es handelt sich in der Tat um den bislang besten Teil der Serie. Gleichzeitig neben „Doom“ und dem (im Gesamten aber doch etwas schwächeren, weil weniger konsequenten und bildgewaltigen) ersten „Resident Evil“ der einzige mir bekannte Film, der Ästhetik und Logik eines Ego-Shooters in einen Spielfilm überträgt – ohne dass dies redundant und langweilig wirkt.
Naja, der Film ist einfach nur schwach und kein Vergleich zu den guten ersten Teilen. Weder die Bildsprache noch deren Komposition ist in irgendeiner Weise revolutionär, viel eher hatte ich das Gefühl alles schon einmal gesehen zu haben. DIe Story ist platt und hat nichts von philosophischer Tiefe, von Arthouse ganz zu schweigen. Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen wie man einen deratigen Trash so gut bewerten kann. Tippe auf Fanboy, hat aber mit Objektivität nichts zu tun, soviel zum Kinohighlight 2012.
Ein wunderschöner und ehrlicher Text zum Kinohighlight des Jahres 2012! Großartig.
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