The Back Row
Von Silvia Szymanski // 8. Juli 2012 // Tagged: featured, Porno, Queer // Keine Kommentare
Casey Donovan ist eine zweideutige Erscheinung – markant, aber mit einem sleazy Augenaufschlag unter dichten, dunklen Mädchenwimpern und einem wissenden Mona Lisa Lächeln, das Überlegenheit zeigt/simuliert. Er hat Muskeln, aber auch diese langen, schmalen Finger…
In THE BACK ROW wird er von einem unerfahrenen Jungen aus Montana schüchtern verfolgt. Der Junge sieht mit seinem Cowboyhut Little Joe aus „Bonanza“ ziemlich ähnlich. (Von Little Joe hab ich auch Pornostar Jack Wrangler in einer Doku schwärmen gehört.) Er folgt Donovan in einen Laden. Verstört beobachtet er, wie der abenteuerliche Fremde sich dort Sex Toys zeigen lässt. Verwirrt und erregt, muss er sich seinen Schwarm in Aktion mit diesen Dingen vorstellen, seine Visionen werden herzschlagkurz in die Sequenz geschnitten; immer wieder sieht der Junge sich mit diesem verruchten Wüstling in dem wogenden Wasserbett im Laden liegen und den Verstand verlieren.
Donovan bemerkt seinen Beobachter und ermutigt eine Annäherung, doch der Junge traut sich nicht. Aber er folgt ihm in ein Pornokino; sie sind in New York, bei der Christopher Street. Am Eingang wird der Junge kurz von dem Typ an der Kasse aufgehalten. Dieser Liebling von mir bietet sich unentwegt an und holt sich eine Abfuhr nach der anderen, auch von dem Montanajungen. Also wichst er schließlich in seinem Kabäuschen. Er achtet dabei nicht darauf, gut auszusehen, er sieht richtig daneben aus, so krumm in den Stuhl gerutscht, damit ihn durch das Fenster keiner sieht. Mit einer achtlosen, schmuddeligen Geste schüttelt er das Sperma von seiner Hand auf den Boden, mit schönen Grüßen an die Putzkolonne.
Casey und der Cowboy setzen sich weit auseinander in den Kinosaal. Sie denken an einander und sehen einen Film, in dem zwei Männer sehr schön mit einander schlafen. Der junge Cowboy schmilzt vor Sehnsucht, sieht aber starr vor sich hin, Donovans Blicke im Nacken. Nach langer Zeit knöpft er sich wenigstens das Hemd auf und streichelt seine Brust. Dann muss er, streng vor Eifersucht und Neid, zusehen, wie sein Schwarm einige Reihen entfernt mit seinem Nachbarn spielt. Er wagt nicht, zu glauben, dass Donovan sich nur teiltrösten und ihn provozieren will, weil er nicht über seinen Schatten springt…
Ich hab noch in keinem Porno ein solch hauptsächliches, fasziniertes Interesse an den vielen zwischenmenschlichen Farben und Facetten der Standardsituation „Männer in einem Sexkino“ gesehen. Der Film widmet diesen Dingen große Aufmerksamkeit und bringt sie an die Oberfläche. Auf einmal sieht man, was die Anwesenden antreibt. Man sieht den Tanz ihrer Gedanken, die Bilder, die ihnen durch den Kopf gehen, die unausgesprochenen Fragen, das Herzklopfen, die verborgenen Achsen ihres Begehrens, das spannungsreich kommunizierende Hin und Her beredter Blicke und kleiner Bewegungen, die dem Entschluss, aufzustehen, dem Entschluss, zu folgen, vorangehen. So wie sich die Gedanken der Männer verwirren und übereinander schieben, so überlagern sich die Schichten der schön und genau auf den Film komponierten Musik und stören einander kunstvoll. Der Schnitt ist phantasievoll, pfiffig; die Darsteller kennen und können das, was sie tun, und der kluge Regisseur verlangt nicht mehr von ihnen.
Während DRIVE tief schürfend-chaotisch-ekstatisch war und BIJOU berührend alleine-ästhetisch-träumend, spielt THE BACK ROW ganz auf der sozial-menschlichen Ebene. Jeden der drei finde ich in seiner Disziplin meisterhaft und augenöffnend. Schwulenpornos des Golden Age haben meinen Blick auf Menschen/Männer sowieso verändert, in diesem guten Jahr des intensiven Filmeguckens für Hard Sensations. Mir ist die Sexualität der Leute jetzt bewusster, mit Respekt; alle sind Protagonisten in einem verdeckten, globalen Sexfilm. Das kommt der Wahrheit schon einmal ein Stückchen näher.
USA 1972, Regie: Doug Richards