DVD: Mega Python vs. Gatoroid
Von Oliver Nöding // 5. Juli 2012 // Tagged: A. Martinez, Debbie Gibson, Horrorfilm, Mary Lambert, Monsterfilm, Science Fiction, Tiffany, Trash // 1 Kommentar
Die allerersten Spielfilme aus der Zeit der vorvergangenen Jahrhundertwende ordnet man gemeinhin dem Begriff „Kino der Attraktionen“ unter. Das will sagen, dass es den damaligen Filmemachern nicht darum ging, Geschichten zu erzählen, sondern dem Publikum in erster Linie ein Spektakel zu bieten, das für dieses darin bestand, wie durch Zauberhand bewegte Bilder auf der Leinwand zu sehen. Man könnte argumentieren, dass sich der moderne Blockbuster und Eventfilm dieser Idee mit seinen bombastischen Effekten und actiongeladenen Set Pieces, die sein Herz bilden, wieder angenähert hat – zumindest, wenn man eher dem klassischen Erzählkino zugeneigt ist. Wollte man diese These vertreten, so böte die Produktionsfirma The Asylum ein nahezu ideales Beispiel: Niemand ist so sehr der marktschreierischen Vordergründigkeit verpflichtet wie The Asylum. Die Meister der dreisten Kopie (siehe meinen Text zu MEGA SHARK VS. GIANT OCTOPUS) haben mit ihrer rotzfrechen Geschäftsphilosophie ein Genre geschaffen, das ich mal als „Megafilm“ bezeichnen möchte (und auch schon so bezeichnet habe): Quasi „Kino der Attraktionen“ auf Speed, die rot geäderten Augen fest auf die Brieftasche der zahlenden Kundschaft gerichtet, das schreiende, sich windende Gewissen gefesselt und geknebelt zu Hause im Keller gelassen. Hinter den vollmundig tönenden Titeln und den jedes junggebliebene Herz im Brustkorb hüpfen lassenden DVD-Coverartworks verbergen sich Filme, die in jeder Hinsicht „mega“ sind: megabescheuert, megadumm, megalustig, megamies gespielt, megaunfähig getrickst und megaunsubtil inszeniert. Damit aber auch megaunterhaltsam. Wie eben MEGA PYTHON VS. GATOROID.
Als übermotivierte Umweltaktivisten um die anorektische Nervensäge Dr. Nikki Riley (Eighties-Popsternchen Debbie Gibson) genetisch veränderte Pythons in den Everglades aussetzen, bringen sie dadurch die heimische Alligator-Population in Gefahr. Das wiederum ärgert die dralle Park-Rangerin Terry O’Hara (Eighties-Popsternchen Tiffany), die ihre schuppigen Freunde daraufhin mit Steroiden füttert, auf dass sie sich gegen die Schlangen zur Wehr setzen können. Was den beiden Damen jedes lernbehinderte Vorschulkind hätte vorhersagen können, tritt natürlich ein: Die auf Riesenformat anwachsenden Tiere liefern sich eine wilde Schlacht, die sich bald vom Sumpf auf die Stadt erstreckt …
Der The-Asylum-versierte Zuschauer weiß bereits nach wenigen Minuten, woran er ist: Eingemogeltes Archivmaterial (hier: Krokos und Schlangen) vermischt sich mit schludrig programmierten Pixelmonstern. Die etwas aufgegangene Tiffany soll mit ihrer üppigen Oberweite wohl für Sexappeal sorgen, weckt aber nur längst überwunden geglaubte Mutterkomplexe (Mama hatte aber keine hässlichen, nach Schlammflecken aussehenden Tattoos auf den Oberschenkeln), während Debbie Gibson – Tiffanys einstige Real-Life-Konkurrentin im Kampf um das Geld geschmacksbefreiter Teeniemädchen – wiederum eher zu Lebensmittelspenden anregt. Routinierte Fernsehschauspieler wie A. Martinez (wer in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern vor den Hausaufgaben den California Clan auf RTL zu gucken pflegte, kennt ihn) machen erstaunlich gute Miene zum bösen Spiel und abgehalfterte Gaststars wie Ex-Monkee Mickey Dolenz werden wohl für den Glamourfaktor engagiert, lassen aber eher an demütigende Arbeitsbeschaffungs- und Resozialisierungsmaßnahmen denken. Und dann ist da schließlich das, wofür man sich einen Film mit dem bescheidenen, subliminal-suggestiven Titel MEGA PYTHON VS. GATOROID überhaupt anschaut: Absurd überdimensionierte Monster, die – ganz wissenschaftlich fundiert natürlich – Menschen, Autos, Häuser und sich gegenseitig auffressen, bis eine Pixelexplosion sie in blutiges Pixelragout verwandelt.
Immerhin wirft dieser Film wenigstens eine interessante Frage auf, nämlich die, ob sich der Titel wirklich auf die rivalisierenden Reptilien bezieht oder nicht doch eher auf die beiden weiblichen Hauptfiguren, die sich in bester Zickenmanier einen erbitterten Zweikampf liefern, auf dessen Höhepunkt sie sich während einer Spendengala mit Torten und Salaten beschmeißen, sich in ihren knappen Kleidchen und Stöckelschuhen kreischend am Boden wälzen und quer über Tische und Stühle katapultieren. Die Frage ist tatsächlich sehr berechtigt, denn nur selten ging in einem Monsterfilm mehr zerstörerisches Potenzial von den vermeintlichen Protagonisten aus als hier. Eine Wissenschaftlerin und Umweltschützerin, die Riesenschlangen einfach irgendwo aussetzt, und eine verblendete Parkwächterin, die ihre geliebten Alligatoren mit experimentellen Drogen vollstopft? In anderen Monsterepen liegt es in der Kernkompetenz solcher Ausgeburten, dem Helden Steine in den Weg zu legen und die Katastrophe zu maximieren: Hier müssen die Protagonisten ständig vor allem ihre eigenen himmelschreienden Fehler korrigieren und bekommen dafür am Ende sogar ein Denkmal gesetzt. Was immerhin bedeutet, dass sie vorher krepieren: Es gibt also noch ein Fünkchen Gerechtigkeit im Universum. Dennoch ist es schon erstaunlich, dass MEGA PYTHON VS. GATOROID darauf beharrt, dass ausgerechnet diese beiden Damen die Sympatieträger des Films sein sollen. Naja, Egoismus gilt ja nicht wenigen Menschen heutzutage als Tugend, Dummheit als besondere Form der Authentizität.
Inszeniert hat diesen Echsploiter Mary Lambert, die vor rund 20 Jahren die sehr erfolgreiche Verfilmung von Stephen Kings Bestseller „Friedhof der Kuscheltiere“ und deren Fortsetzung besorgen durfte, seitdem aber vor allem fürs Fernsehen und den Heimkinomarkt gearbeitet hat. Wahrscheinlich geht es auf ihr Konto, dass MEGA PYTHON VS. GATOROID ganz hübsch anzusehen ist – wenigstens solange, wie keine Effekte das Bild kaputtmachen. Anders als etwa MEGA SHARK VS. GIANT OCTOPUS oder der folgende MEGAPIRANHA, die beide unter akuter Michaelbayitis, heftigen Avidblähungen und filterbedingten Pigmentstörungen leiden, ist Lamberts Film wohltuend konservativ und ruhig, orientiert sich mit seinen knackigen Farben eher am altmodischen Abenteuer- und Comicfilm als am zeitgenössischen Apokalypsenkino mit seiner monochromen Farbpalette. Retten kann sie diesen Unfug aber natürlich nicht. Die Effekte sind schmerzhaft schlecht und werden reichlich lieblos ins Bild geklatscht und der Handlung geht schon nach 20 Minuten die Puste aus. Zum Ausgleich wird MEGA PYTHON VS. GATOROID mit zunehmender Spielzeit immer absurder, die hinter ihm stehende Masche immer durchsichtiger und es ist schon sehr ansteckend, mitanzusehen, wie alle Beteiligten ihr Ding völlig ungerührt runterspielen: Auch wenn eine Riesenpython im Finale furioso eine ganze Straßenbahn der Länge nach verschlingt oder sich einen Zeppelin schnappt und ihm die Luft rauslässt, behalten alle Darsteller ihr Pokerface.
Irgendwie entwickelt dieser unbedarfte Stuss eine immer stärkere Anziehungskraft auf mich und ich frage mich langsam, ob ich als harter Megafilm-User für „normale“ Filme nicht längst verloren bin. Wie ein Junkie klicke ich mich täglich durch das Amazon-DVD-Angebot, meine Suchmaschinen-Favoriten sind „shark“, „crocodile“ und „snake“, die glasigen Augen ganz auf ein möglicherweise irgendwo aufblitzendes „Mega“ fokussiert, in der Hoffnung auf neuen Stoff. Monsterfilme von The Asylum: the ultimate high.
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Mega Python vs. Gatoroid
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