The Rain People
Von Eckhard Heck // 14. Juni 2012 // Tagged: Francis Ford Coppola, New Hollywood // Keine Kommentare
You used to say the highway was your home
But we both know that that ain’t true
It’s just the only place a man can go
When he don’t know, where he’s travelling to
(Steve Earle, Fort Worth Blues)
Nachvollziehbar, dass Roger Ebert 1969 The Rain People als gesellschaftlich und geographisch gespiegelte Version von Easy Rider, der Mutter des modernen amerikanischen Raod-Movie, interpretiert. Um das Gefühl vom „ewig auf der Suche sein“ auch kulturhistorisch zu verorten, zieht er zudem einen Vergleich mit Huckleberry Finn heran. Noch konnte er nicht wissen, dass er gerade die Geburtsstunde eines cineastischen Genres miterlebte. Jung waren sie damals, Coppola, Scorsese, und all die anderen, die zu jener Zeit gerade mal ein, zwei Filme gemacht hatten und über die Ebert im gleichen Artikel schreibt: „They’d rather do interesting things and make provocative observations than try to outflank John Ford on his way to the Great American Movie.“
Observations, also Beobachtungen, beschreibt Coppolas Herangehehensweise an die Geschichte am besten. In Großaufnahmen schwenkt die Kamera über Körper und Einrichtungsgegenstände und durch undefinierte Räume. Der verengte Blick gleicht dem verengten Blick von Hauptfigur Natalie (Shirley Knight). Aus einer unbefriedigenden Ehe heraus treibt es sie wie eine Kugel aus einem Revolverlauf hinaus in die Welt. Keine Zeit zum Nachdenken. Viel zu wenig Distanz. Da hilft nur, sich in den Wagen zu setzen und aufzubrechen. Als Befreiung.
Auf der Flucht vor ihrem alten Leben lernt Natalie Jimmy Kilgannon (James Caan), genannt „Killer“, kennen. Der irrt ebenso verloren in der Welt herum wie sie. Allerdings merkt er davon wenig, weil er nach einem Sportunfall geistig nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Mit 1.000 Dollar in der Tasche hat man ihn abgeschoben. „Killer“ mag Paraden, zeigt überall freimütig sein Geld herum und ist so hilflos wie ein Baby. Natalie, die selbst ein Kind erwartet, hat jetzt ein weiteres Problem. Wohin mit dem „großen“ Kind, für das sie sich verantwortlich fühlt? Teilnahmslos zieht die Welt an den beiden auf der Straße Gestrandeten vorüber. Irgendwo dort in den Weiten des unendlichen Landes muss die Lösung liegen, doch da draußen ist sich jeder selbst der Nächste und alle Versuche, wieder Anschluss zu finden, müssen scheitern.
Gegen die gesamtgesellschaftliche Sichtweise von Easy Rider setzt The Rain People eine Geschichte des sehr persönlichen Aufbruchs und Scheiterns. Den in Easy Rider von Peter Fonda und Dennis Hopper verkörperten Figuren rinnt auf ihrem Weg von Westen nach Osten auch der Traum einer ganzen Generation vom Ankommen in einer besseren „Great Nation“ durch die Finger. Umgekehrt brechen die Figuren in The Rain People vom Osten her in einen Westen auf, der mittlerweile als Ort der Verheißungen des großen Abenteures von Freiheit und Unabhängigkeit untauglich geworden ist. Weitsichtig wendet sich Coppola in The Rain People der inneren Emigration seiner Figuren zu und formuliert damit eine ganz neue Form der Suche nach individueller Unabhängigkeit, die sich später in den Thesen des Feminismus wiederfinden wird.
The Rain People ist ganz großes Independent-Kino. Natürlich schwebt über allem der Geist von Cassavetes. Aber The Rain People selbst ist stilprägend und wird möglicherweise im Hinblick auf seine Bedeutung für das neue amerikanische Kino unterschätzt. Coppola fühlt sich – jedenfalls in dieser Zeit – seinem Film viel mehr verpflichtet, als seinem Publikum. Das Prinzip der Beobachtung, löst das Prinzip der Erzählung ab. Fast möchte man meinen, Hunter S. Thompson irgendwo im Hintergrund lachen zu hören.
USA 1969, Regie: Francis Ford Coppola