Lieblingsfilm: The Trap / Wie ein Schrei im Wind
Von Silvia Szymanski // 5. Juni 2012 // Tagged: Britisches Kino, featured, Wilde Männer // 4 Kommentare
Als ich das als Kind sah, wusste ich: Sobald es ginge, würde ich nach Britisch Kolumbien gehen, um dort so einen Mann zu treffen und mit ihm im Wald zu leben. Mein Vater sagte, Männer wie in diesem Film gäbe es dort bestimmt noch heute. Gut, das zu wissen; mehr wollte ich vom Leben nicht.
In den folgenden Winterwochen überredete ich meine Freunde, mit mir immer wieder Szenen aus „The Trap“ nachzuspielen. Durch den Schnee stapfen, durch Wölfe in Gefahr geraten, in die eigene Bärenfalle treten, Bein amputieren, „Eve! Eve!“ brüllen, einander lieben, aber zu grob, zu stumm, zu schüchtern sein, um das zu zeigen. Als meine Freunde merkten, dass es mir vor allem um die Liebesszenen ging, wollten sie das nicht mehr mit mir spielen, und ich schämte mich.
Ich war zwölf, und es war das erste Mal, dass ich mir konkret vorstellen konnte, wie das ist, mit einem Mann. Und auch die Landschaft war phantastisch.
Britisch Kolumbien, Kanada. Eve, ein kurioses Mädchen, wie ein Waldtier mit eng zusammen stehenden Augen, ein stummes Kind mit Brüsten, wohnt und arbeitet zu Ende des 19. Jahrhunderts oder so bei einer netten, anständigen Familie, die den wichtigsten Laden am Ort hat. Ansonsten gibt es dort zu viele Männer und zu wenig Frauen. Also werden heiratswillige haftentlassene oder allein erziehende arme Frauen von weit her gebracht. Dutzende von rohen, bärtigen Männern stürmen johlend ihrem Boot entgegen. Lieber Gott.
Und da kommt Jean la Bete in seinem Kanu: dunkler Vollbart, zotteliger Pelz, ungehobeltes, grimmiges, jähes Benehmen. Alle weichen aus und haben Respekt. Eve beobachtet ihn und hat heimlich Spaß an dem verwilderten Mann, der, als Frankokanadier, selber nur gebrochen englisch sprechen kann und draußen im Wald fast die ganze Zeit alleine ist.
Oliver Reed hat hier aber auch einen Sexappeal… dieses ruhige jemanden Anstarren, während er so was von geladen ist mit Sex und Zorn. Das impulsive Umschwenken der Stimmung. Die Augen, die offensichtlich nachdenken, ob man sein Gegenüber auffressen, umhauen oder flachlegen sollte. Das herausfordernde, physische Selbstbewusstsein. Das primitiv Gebieterische.
Weil Eves Gastfamilie Geld braucht, verkauft die Chefin Eve an Jean la Bete. Dass sich so ein Mann für so ein Kind interessiert, beschäftigte mich sehr.
Wie Jean ihr, als sie am Lagerfeuer hockt, das Fleisch hinhält: „Eat!“ – das ist alles Sex, das mit dem Anleinen, Weglaufen und Einfangen, dem brutalen Lachen und der Scheu, dem fast von Tieren zerfleischt Werden, dem Abhacken des Beines, alles. Und es ist egal, dass man sieht, das hinter ihnen sind manchmal Kulissen – es ist alles wahr.
Kanada, UK 1966, Regie: Sidney Hayers. Mit Oliver Reed und Rita Tushingham.
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4 Kommentare zu "Lieblingsfilm: The Trap / Wie ein Schrei im Wind"
Auch ich war tief beeindruckt von diesem Film, weniger aufgrund seiner ästhetischen Qualitäten als vielmehr wegen seiner Thematisierung des Verhältnisses von Wildnis und Zivilisation. Mehr darüber auf http://tinderness.net/2014/01/09/the-trap-zum-mythos-wildnis-teil-3/. Ich hab mir erlaubt, aus diesem Beitrag zu zitieren.
Ja, das Hingabebedürfnis verstehe ich, Whoknows, und auch die Angst, vannorden :-) Ich hab meine erste Besprechung dieses Films mit 12 in mein Tagebuch geschrieben und fühlte mich beim Schreiben des neuen Textes hier immer noch verlegen und überhaupt nicht erwachsen.
Hatte immer Angst vor dem Film. Angst, dass es zuviel Oliver Reed für mich ist, bei aller Liebe zu ihm, oder gerade deshalb. Jetzt muss ich ihn aber sehen, weil sie wie verflogen ist.
Tatsächlich: Ein wundervoller Film, und äusserst verdankenswert, dass du an ihn erinnerst. Ich muss etwa zehn gewesen sein, als ich ihm und der umwerfenden Musik begegnete, wusste noch nicht, dass Rita Tushingham mit ihrer sehr eigenartigen Schönheit die Ikone des New Cinema war und Oliver Reed – nun ja, das Tier von einem sich leider dem Suff hingebenden Schauspieler beinahe jeden Film, in dem er mitwirkte, veredelte. – Ich muss mir „The Trap“ unbedingt mal wieder ansehen und mich dem Gefühl der ungezähmten Wildnis hingeben. Schlicht: Danke!