The Unholy Rollers
Von Eckhard Heck // 22. Mai 2012 // // 3 Kommentare
1972 war ein gutes Jahr für Roller-Derby-Filme. Kurz nacheinander erschienen Kansas City Bomber von Jerrold Freedman mit Raquel Welch und The Unholy Rollers von Vernon Zimmerman – letzterer mit der derbschönen Claudia Jennings als Karen Walker aka „Leader of the Pack“. Die Drehbücher sind sich sehr ähnlich, will sagen: Story und Figuren sind im Prinzip identisch. Dennoch fühlen sich die Filme sehr unterschiedlich an. Das hat wohl vor allem damit zu tun, dass The Unholy Rollers mit einem deutlich geringeren Budget gedreht wurde; was ihm sichtlich zu Gute kommt. Wie von einer Roger Corman Produktion zu erwarten, gleicht der Film die fehlenden monetären Mittel durch überbordende Experimentierfreudigkeit, gesunden Mutterwitz und nackte Tatsachen aus. Während bei The Unholy Rollers der Funke also sofort überspringt, schleppt sich Kansas City Bomber im Vergleich dazu recht bieder durch den Plot und ist auch durch eine Ikone wie Raquel Welch nicht mehr zu retten. Infolgedessen verblasst er gegenüber seinem „Zwilling“ der zum Kultfilm avancierte und stets zitiert wird, wenn es auch nur ansatzweise um das Thema Roller Derby geht. Beispielsweise in Finders Keepers (1984, Regie: Richard Lester), dessen Handlung mit einer filmischen Verneigung an The Unholy Rollers eingeleitet wird.
Vernon Zimmermans Film ist rauer Stoff. Schon in der ersten Szene suhlt er sich ausgiebig im schmuddeligen Ambiente einer unprätentiösen Sportstätte. Das Gebaren der Unterpreviligierten, die sich hier verlustieren, steht dem billigen und würdelosen Charakter des Spektakels, dem sie beiwohnen, in nichts nach. Auch einige Akteure auf der Bahn haben mutmaßlich schon bessere Zeiten gesehen. Jetzt bilden sie den Bodensatz der Unterhaltungsindustrie und prügeln sich für ein paar Dollar durch ihr verkacktes Leben. Ein Hallensprecher kommentiert ohne Punkt und Komma. Nur Schlamm-Catchen ist schlimmer, stelle ich mir vor.
Karen Walker lebt mit einem befreundeten Pärchen in einer Wohngemeinschaft und hat ein kleines Problem am Arbeitsplatz, nämlich den Vorarbeiter, der ihr an die Wäsche will. Sie kündigt und versucht ihr Glück kurzerhand bei einem Tryout als Rollerskaterin, bei dem sie sich auf Anhieb als schlagkräftiges Naturtalent erweist. Beim ersten Spiel wechselt sie sich dann auch gleich selbst ein und macht sich damit jede Menge Feinde. Wir ahnen: Es wird ihr nichts geschenkt werden und nichts erspart bleiben. Und so folgt dann auch auf den beschwerlichen Aufstieg irgendwann der unaufhaltsame Fall.
Als ihre Freunde die gemeinsame Wohung verlassen, um Karen nicht auf der Tasche zu liegen, ihr Lover sich als Rohrkrepierer erweist und seitens des Mangaments der Versuch unternommen wird, ihr Ego auf Normalgröße zurechtzustutzen, zerlegt Karen in einem finalen Amoklauf die halbe Arena. Neben diesem einschlagenden Schlussakkord, bietet The Unholy Rollers in fast jeder Szene optische Leckerbissen und jede Menge hahnebüchene Dialoge. Ein Panoptikum liebenswerter Individuen tummmelt sich um die Hauptcharaktere herum. Zimmerman scheut sich nicht immer mal wieder Szenen einzustreuen, die kleine, krude Nebenhandlungen oder einfach nur frivole Witze zum Inhalt haben.
Der Film ist aber vor allem randvoll mit kreischenden Aufnahmen des Sportgeschehens. Die Kamera schreckt vor keiner noch so abstrusen Perspektive zurück. Schnitt und Ton heizen das Geschehen zusätztlich mächtig an. Weder Kansas City Bomber noch der 2009 erschienene Whip it (Regie: Drew Barrymore), können The Unholy Rollers diesbezüglich auch nur annähernd das Wasser reichen. Auch gehen die Protagonisten hier mit der gebotenen Härte zur Sache. Ganz im Gegesatz zu Kansas City Bomber, um den Vergleich ein allerletztes Mal zu bemühen, im dem sich Raquel Welch in etlichen Szenen ganz offensichtlich von einer Stuntfrau mit einer überaus albern aussehenden Perrücke doublen lässt.
The Unholy Rollers ist nicht nur die Blaupause des Roller-Derby Films an sich, sondern hat mit Sicherheit auch das Roller Derby als sportlich-kulturelles Phänomen – zumindest ästhetisch – nachhaltig geprägt.
The Unholly Rollers, USA 1972, Regie: Vernon Zimmerman
3 Kommentare zu "The Unholy Rollers"
… und natürlich „The Great Texas Dynamite Chase“, den Herr Nöding hier > http://funkhundd.wordpress.com/2011/07/20/the-great-texas-dynamite-chase-michael-pressman-usa-1976/ so wundervoll besprochen hat.
Ja, viel zu früh von uns gegangen, die Jennings. „Gator Bait“ klingt gut. Habe auch noch „Truck Stop Women“ auf der to-guck-liste.
Schöner Text und feine Bilder! Den Film fand ich auch prima, obwohl ich mit Rollschuhen nie etwas anfangen konnte. Selbst ein Mitte der 80er Jahre erworbenes Skateboard verstaubte 2-3 Monate später in der Garage, weil ich nichts wirklich aufregendes damit anzustellen wußte. Immerhin war es billig und es stand „SATAN“ drauf. „Derbschön“ ist eine sehr passende Beschreibung der leider viel zu jung gestorbenen Claudia Jennings – „Herbschön“ würde aber auch passen. Falls noch nicht bekannt, sei dir noch der wundervoll schmierige Backwoods-Beitrag ‚GATOR BAIT empfohlen, der neben ihr und einer unfassbaren Hinterwäldler-Famile auch noch tolle Cajun-Musik auf dem Soundtrack zu bieten hat.