DVD: Antares – Studien der Liebe
Von Michael Schleeh // 9. März 2012 // Tagged: Österreichisches Kino, Skandalfilm // 2 Kommentare
Die Liebe ist keine Illusion, sondern eine Utopie, die größte überhaupt. Sie hält uns lebendig, solange wir sie uns bewahren. Auch wenn die gelebte Realität oft schmerzt oder enttäuscht.
Götz Spielmann
Ein Wohnblock, eine triste Hochhaus-Siedlung in einer Wiener Vorstadt. An diesem Ort, dem Kulminationspunkt von ANTARES, finden in drei nacheinander erzählten Geschichten Menschen zusammen und verlieren sich wieder, begehren und hassen sich, haben sich bereits getrennt und können doch nicht loslassen. Im statischen Irrsinn des Alltags gefangen und auf der Suche nach einem Sinn im hoffentlich doch nicht ganz unnützen Leben sehnen sie sich nach nach Zuneigung, Liebe, Bestätigung, und schlicht: einer Perspektive.
Auch wenn sich die Männer immer wieder in den Fokus drängen in Spielmanns Film, so sind es doch eigentlich die Frauen, die hier die Protagonisten sind: Eva, eine Mitdreißigerin, die in ihrem Alltag als Krankenschwester und Ehefrau und Mutter ganz langsam die Lust am Leben verloren hat. Sie hat eine Affäre mit dem Arzt Tomasz, eine einstige Zufallsbekanntschaft, die sie nun aber dank seiner Dienstreisen immer wieder ausleben kann. Sie treffen sich in einem Hotel, wo nach erster schüchterner Zurückhaltung die angestaute Leidenschaft frei herausbrechen kann. Für diejenigen, die ihr Leben an DIN-Vorschriften des Alltags ausgerichtet haben, mag die pornographische Darstellung sexuell libertiner Praktiken durchaus grenzwertig oder obszön erscheinen. Gleichwohl gelingt Spielmann die Darstellung einer von Sehnsucht nach Intimität geprägten menschlichen Beziehung, sodaß man die Freizügigkeit kaum als Skandalon mißverstehen kann. Allenfalls die Platzierung einer solchen Szene an den Filmanfang könnte man ihm zum Vorwurf machen.
Die zwanghaft eifersüchtige Supermarktkassiererin Sonja kämpft um die Liebe ihres Freundes Marco. Um ihn an sich zu binden, behauptet sie sogar, ein Kind von ihm zu bekommen – allerdings lässt dieses auf sich warten, auch wenn sie die Pille abgesetzt hat. Da Marco als Plakatierer viel rumkommt, hat sie auch allen Grund, eifersüchtig zu sein. Denn Marco vergnügt sich gerne einen Wohnblock weiter mit der alleinerziehenden Mutter Nicole.
Diese hat bereits seit längerem die Beziehung zum Vater ihres Kindes beendet. Dieser, Alex, der sich mehr schlecht als recht als Immobilienmakler durchschlägt, hat ein gewaltiges Problem mit seinem Selbstwert. Er fühlt sich permanent zurückgewiesen und geringgeschätzt – was duchaus der Realität entspricht. Er ist ein Schwätzer und macht den Max wo er nur kann. Da er dummerweise auch ein gewaltbereiter Irrer ist, der seine Aggressionen an seinen Mitmenschen auslässt, muss nicht nur Nicole unter seiner Gewaltbereitschaft leiden, sondern auch Marco, den er zufällig bei Nicole erwischt.
Spielmann lässt die Lebenswege seiner Figuren immer wieder kreuzen, mal an zentralen Stellen, manchmal nur ganz beiläufig, dann aus anderer Perspektive gefilmt. Aus dieser formalen Strategie ergibt sich ein lose kommunizierendes Netz der Bezüge und eine allgemeinere inhaltliche Stoßrichtung, die, obwohl sie von Leidenschaften erzählt, eher von deren Absenz kündet. Spielmann gelingt es dabei nicht immer, auf Stereotypen und Überdeutlichkeiten zu verzichten („Ich will nicht mehr vergewaltigt werden!“). Etwa Marcos prolliger Asi-Sprachgestus oder Alex‘ ausgestellte Ausländerfeindlichkeit nerven genauso wie die generelle Ausgelutschheit der mehrsträngigen Erzählanordnung oder die stark schematische Figurenzeichnung. Dass es ANTARES dennoch gelingt, über eine Spieldauer von zwei Stunden zu fesseln, liegt sicherlich auch an den kurvenschlagenden Plots, sowie den dann doch immer wieder überraschenden Details – stellvertretend seien die Episoden mit dem kläffenden Nachbarshund genannt. Und sicherlich auch daran, dass sich der Film nicht völlig in die Stilisierungen einer österreichischen „Kinematographie der Tristesse“ ergibt.
Antares – Studien der Liebe, Österreich 2004; Regie: Götz Spielmann.
Die DVD ist bei KINO KONTROVERS in schöner Edition erschienen; mit Making Of, Trailer, und einem informativen Text von Marcus Stiglegger zum österreichischen Film.
Antares – Studien der Liebe
Antares – Studien der Liebe
2 Kommentare zu "DVD: Antares – Studien der Liebe"
Mag den Film. Skandalfilm? Nein. Die Kino Kontrovers Reihe öffnet sich aber inzwischen auch Filmen, die nicht an jede erdenkliche Grenze gehen, bzw, sich nicht um reine Grenzüberschreitung drehen. Siehe „Tyrannosaur“, den viele nicht als „kontrovers“ empfinden. Muss man die Reihe deshalb jetzt umbenennen? Ich weiß nicht.
Zu „Antares“ fällt mir noch ein, dass Petra Morzé klasse ist, ich mir aber auch Nina Proll in der Rolle vorstelle, die ich in „Nordrand“ von Barbara Albert ganz großartig fand.
Kino kontrovers? „Skandalfilm“?? Ich kenne den Film noch nicht, hätte ihn aber gar nicht in so eine Kategorie eingeschätzt. Vielleicht ist das, was in Deutschland kontrovers und skandalös gilt, in Österreich aber auch nicht ganz so wild bzw. Kino- und Gesellschaftsalltag. ;)
Jedenfalls halte ich Spielmann für einen ganz tollen, „Revanche“ ist ein Meisterwerk, und sein kaum bekannter „DIe Fremde“ ebenfalls hervorragend. Höchste Zeit, auch „Antares“ mal nachzuholen. :)