DVD: Im Glaskäfig

Von  //  12. Februar 2012  //  Tagged: , ,  //  Keine Kommentare

Der in Spanien untergetauchte KZ-Arzt und Kindermörder Klaus kann auch im Exil seiner verhängnisvoll sadistischen und päderastenhaften Passion nicht abschwören und stürzt sich schließlich verzweifelt vom Dach seines Hauses. Fortan querschnittsgelähmt wird er von der Familie gepflegt und von einer eisernen Lunge am Leben gehalten. Als dann der knabenhafte Angelo zu seinem Pfleger wird, ändern sich schlagartig die Machtverhältnisse und ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit kehrt zurück. Zunächst: IM GLASKÄFIG ist ein wunderbar photographierter Film, dessen Bilder in ein tiefes Nachtblau getaucht sind. Die unheimliche und beklemmende Atmosphäre kontrastiert fantastisch mit dem leicht verwohnten, aber doch prächtigen spanischen Herrenhaus, in dem die beiden Frauen, die Gattin des Gelähmten und dessen Tochter Rena die einzigen Lichtblicke zu sein scheinen. Die tiefen Furchen im Gesicht der Ehefrau und ihr permanentes Zigarettenrauchen, bei dem sie hinter den Schwaden des Tabaks zu verschwinden droht, deuten schon auf ihr Schicksal hin, das sich in einem gewalttätigen Kampf eruptiv entladen wird. Der Wahnsinn der Männer führt im Laufe des Spielfilms zu einer krankhaften Form der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Lehrer und Schüler, Vater und Sohn, Schänder und Mißbrauchtem, sodaß die Manifestationen der psychischen und physischen Wunden teilweise groteske Formen (auch in ihrer bildlichen Entsprechung) annehmen. Da erfüllt der Film dann in so manchen Szenen etwas zu sehr sein Soll; Szenen, in denen er in seiner Theatralität beinahe in eine überdeutliche Bühnenhaftigkeit zu kippen droht. Doch mindestens der Soundtrack, ein nervenzerreibendes und experimentelles Klanggewitter, hält den Film in der Balance und das Bedrohungslevel konstant. In diesem Film gibt es kaum ein Aufatmen, aus ihm kein Entlassen – weder innerhalb der Geschichte, etwa durch einen Nebenerzählstrang, noch in den Bildkonstruktionen. Der Film ist selbst ein harter, komprimierter Kristallkäfig, geformt aus dem Terror der Abhängigkeiten und der Faszination für die Grausamkeit. Wer bei der Sichtung den Pausenknopf bemüht, bringt sich um die volle Wirkmacht des Filmerlebnisses; und kommentiert doch zugleich, daß dieser Film kaum auszuhalten ist. Eine echte Wucht.

 

Tras el Cristal / Im Glaskäfig (Agustí Villaronga, Spanien 1987).

 

Die DVD ist die nummerisch erste Veröffentlichung des Labels Bildstörung (Drop Out 001), einem der wohl verdienstvollsten cinephilen Herausgeber vergessenen und abgedrängten Kinos in Europa. Nebst Audiokommentar und Interview mir dem Regisseur findet sich auch ein üppiges Booklet in der VÖ. Zu erstehen auch direkt hier bei den Machern: SHOP.


Flattr this!

Über den Autor

Michael Schleeh schaut vor allem asiatische Filme. Seit ein paar Jahren betreibt er das Blog SCHNEELAND und schreibt Reviews für verschiedene Webseiten. Indisches Regionalkino ist sein aktuellstes Ding. ~~ Michaels Filmtagebuch: http://letterboxd.com/schneeland/ ~ Michaels Twitter: @mono_micha

Alle Artikel von

Schreibe einen Kommentar

comm comm comm