Wader Wecker Vaterland

Von  //  31. Dezember 2011  //  Tagged: , , ,  //  Keine Kommentare

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Wader Wecker Vaterland ist die schlichte, unprätentiöse Dokumentation einer Konzertreise. Rudi Gaul begleitet die beiden Ikonen der deutschen Liedermacherkultur auf ihrer gemeinsamen Tournee Kein Ende in Sicht 2010. Wader und Wecker arbeiten nicht zum ersten mal zusammen, sie kennen sich gut, mögen sich, und außerhalb des Konzertsaales wirken sie wie ein biederes Pauschalreisepärchen kurz vor der Silberhochzeit. Doch spätestens bei den Proben zum Auftakt ihrer gemeinsamen Tournee merkt man, dass hier Welten aufeinander prallen. Da trifft die einstige Nicht-nur-Rampen-Sau Wecker auf den notorisch selbstkritischen Wader. Wecker, durch und durch Bühnenprofi und immer noch selbstsicher bis zum Anschlag, flirtet selbst dann mit dem Publikum, wenn gar keines im Saal sitzt. Doch wirkt er auch weicher, gnädiger als man ihn aus alten Aufnahmen kennt. Vielleicht liegt seine Nachgiebigkeit nicht zuletzt an der Gegenwart Waders, der sich mit der Rudelsituation auf und hinter der Bühne sichtlich schwer tut. Wader ist kein Selbstdarsteller. Für ihn scheint die eigene Anwesenheit auf der Bühne bloß notwendig-übles Mittel zum Zweck zu sein, auch wenn er gelegentlich das Gegenteil behauptet. Der Zweck ist das Überbringen von Botschaften, und das Mittel auch nach Jahrzehnten nur mit Überwindung zu ertragen. Wenn auch nicht mehr mit so viel Wut wie früher.

Neben einmontierten Archivaufnahmen sowie Back- und On-Stage-Bilder der Tour gibt Regisseur Rudi Gaul mit seiner konventionellen aber nicht piefigen Dokumentation auch ein paar intime Einblicke in die derzeitigen Lebenssituationen der beiden alternden Barden. Bedeutsames und scheinbar Banales steht dabei nebeneinander. Der aufrechte Wader erzählt von der RAF-Zeit und seinem Kontakt zu Gudrun Ensslin und zeigt dabei den chronifizierten Schmerz, der ihn auch Jahrzehnte nach dem Terror noch umtreibt. Wenn er sich hingegen mit seiner Tochter über die gemeinsam fabrizierte 4+ freut, ist man angenehm versichert, dass es auch im Leben des angespannten Moralisten Momente der Ruhe und Ausgelassenheit gibt. Wecker wirkt geläutert, geerdet in seinem Alltag mit seiner jungen Familie, blockt aber auch Gespräche über seine skandalträchtige Vergangenheit nicht ab. Sympathisch, aber unspektakulär. Es wird nicht groß an Fassaden gekratzt, aber auch nicht zuviel Schminke aufgetragen. Die beiden hätte man gerne als Onkel; den gradlinigen Wader, der seiner eigenen Aussage nach erst mit 50 in die Pubertät gekommen ist, und den von der schiefen Bahn abgekommenen Wecker, der der Pubertät erst mit 50 entwachsen zu sein scheint.

Trotz aller Unterschiede (ein Techiker formuliert es so: „Wir kommen aus der Wader-Welt, die anderen kommen aus der Wecker-Welt.“) bekommen Wader und Wecker irgendwie ihr Programm über die Bühne; beim Konzert vor angenehm gemischtem Publikum und – wie früher – bei einer Demo gegen Nazis. Es ist, als hätte man erst gestern den Willi erschlagen (oder den Ali), und dem Zuschauer wird bewusst, dass sich vielleicht die Opfer und Gegner geändert haben, aber nicht die Probleme. Und dennoch ist das, was Wader und Wecker in Freundschaft und Respekt verbindet eine gemeinsame Hoffnung, kein gemeinsamer Feind. Die Hoffnung, es möge sich gelohnt haben, auf je ganz eigene Weise den eingeschlagenen Lebensentwurf zu überprüfen und zu ändern. Die Hoffnung, es möge sich auszahlen, nicht nur vor der eigenen Haustür zu kehren, sondern auch im Haus selbst. Wader und Wecker zeigen sich als erklärte Anti-Fatalisten, von der Überzeugung getragen, dass die Welt eine bessere werden kann. Hach…

Deutschland 2011, Regie: Rudi Gaul


Der Film läuft seit dem 15.12.2011 im Kino. Die DVD kann ab Mai 2012 bei Amazon erworben werden. Wader Wecker Vater Land


Wader Wecker Vater Land


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Über den Autor

Bianca Sukrow, geb. in Aachen, ist Literaturwissenschaftlerin, Mitgründerin des Leerzeichen e.V., freie Lektorin und Journalistin. Im persönlichen Umgang ist sie launisch, besserwisserisch und pedantisch.

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