Vom Satan gezeugt

Von  //  5. Dezember 2011  //  Tagged: ,  //  Keine Kommentare

Man kann das so oder so sehen.
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Einer der ersten EXORCIST-Nachzieher hat den katholischen Filmdienst dort getroffen, wo’s weh tut: „Der Film bietet Hokuspokus aus der Rumpelkammer, extrem konfuse Kamerafahrten und literweise vergossenes Filmblut – und das alles bei absoluter Humorlosigkeit.“ Der Leser tut gut daran, das Gegenteil anzunehmen: CHI SEI ist ein Film, der sich mitunter sein unterschwelliges Grinsen kaum verbeißen kann, in einer einzigen Szene und dort nur ganz wenig Blut zeigt und die Kamera so gekonnt einsetzt, dass es eine wahre Freude ist.

Man kann den Filmdienst aber verstehen: Was zum Teufel geht hier vor? Warum schleppt das kleine Mädchen ein Dutzend identischer Taschenbücher von Erich Segals „Love Story“ mit sich herum und flucht wie ein Droschkenkutscher? Warum ißt der kleine Junge dauernd Erbsensuppe? Warum legt der Arzt saure Drops in Kreuzform am Schreibtisch aus? Was sollen die freeze frames? Die Bildüberlagerungen? Die Szene, in der der ratlose Ehemann – während seine Frau rapide schwangerer wird und grüne Galle kotzt – minutenlang von einer Horde Straßenmusikanten verfolgt wird (schicker Score: Franco Micalizzi)?

Mit THE EXORCIST und ROSEMARY’S BABY hat das alles nur am Rande zu tun, wenngleich eine 360 Grad-Kopfdrehung, obszöne Reden und eine dämonische Schwangerschaft vorkommen; einen Exorzisten gibt’s ebensowenig wie überhaupt einen ernsthaften Versuch, das Böse zu bekämpfen, alle Beteiligten führen sich so irrational auf, dass sie kaum als Identifikationsfiguren taugen, und der einzige Todesfall des Films geschieht 10 Jahre vor Beginn der Handlung, die im übrigen nicht weiter relevant ist. Wohlgemerkt: CHI SEI ist keine vorsätzliche Demontage des Horrorgenres; wenn es der Film darauf anlegt, kann er beunruhigend sein, schockierend, sogar subtil. Dass er das nur selten anstrebt, hat nicht nur den Filmdienst irritiert; so beschwert sich Roger Ebert, der Film wäre „maddeningly inappropriate in the face of its horrors (..) Parts of the movie play almost as comedy“.

In der Tat: Die Horrorfilme von Produzent (und Co-Regisseur) Ovidio Assonitis zeichnen sich in aller Regel durch saubere Kameraarbeit und einen guten Sinn für abseitige Ideen aus – MADHOUSE, THE VISITOR, AMOK TRAIN, CURSE II: THE BITE, SONNY BOY und RED RIDING HOOD warten nur darauf, die Konventionen über Bord werfen zu können und uns stattdessen mit schrägen Einfällen zu überraschen, die man für Zynismus halten könnte, wäre nicht offensichtlich, dass Assonitis seine Freude daran hat, Grenzen auszuloten und zu kucken, wo denn diese oder jene Abzweigung hinführen könnte.

Es ist kein Zufall, dass dem einzigen Schnitt der deutschen Fassung der kurze Voice Over-Prolog des Films zum Opfer fällt, den der Satan spricht. Ekel, Horror und Obszönitäten gehen schon okay, aber selbst dem Bösen ist es nicht erlaubt, das herunterzumachen, „what is absurdly called a rational age“. Das beleidigt uns; wir akzeptieren gerne auch den Teufel, wenn er sich nur an unsere Spielregeln hält und uns unsere Wichtigkeit bestätigt, indem er z.B. großen Aufwand treibt, um bloß eine einzige Menschenseele zu ergattern, und letztlich die Weltherrschaft anstrebt, als wäre er katholisch. Wir erwarten Ernsthaftigkeit, zum Teufel! Assonitis aber hat keine Lust auf affirmative Systemerhaltung: Er streut lieber eine grund- und folgenlose 5 Sekunden-Szene ein, in der jemand einen Augapfel im Cocktailglas entdeckt und ihn angeekelt wegwirft, worauf uns der Film eine beiläufige subjektive Einstellung des rollenden Auges schenkt. Man darf vermuten, dass es nicht glauben mag, was es sieht.

CHI SEI? / Beyond the Door, Italien/USA 1974, Regie: Ovidio Assonitis & Roberto d’Ettorre Piazolli


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Über den Autor

Andreas Poletz (1185 bis 1231), aus Chorazin gebürtig, beschrieb seine Seele als »einen schrecklichen Sturm, umhüllt von ewiger Nacht«, und behauptete, dass er aus Verzweiflung begann, seine Hände und Arme zu zerfleischen und mit den Zähnen bis auf die Knochen zu zernagen (incipit manus et bracchia dilacerare et cum dentibus corrodere useque ad ossa). Ist aber nicht wahr.

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