Ich reise allein
Von Eckhard Heck // 27. Dezember 2011 // Tagged: featured, Norwegisches Kino // Keine Kommentare
Die familienfreundliche Komödie läuft zum Bundesstart am 29. Dezember auch im Apollo Kino Aachen
Schon mal von Bergen gehört? Liegt im Südosten Norwegens. Das Städtchen hat viel Geschichtliches zu bieten und die Architektur besteht zu eine Gutteil aus niedlichen, bunten Holzhäusern von der Sorte, die Touristen so sehr mögen. Ich reise allein spielt in Bergen, gewinnt der Stadt aber gänzlich andere Perspektiven ab. Die Welt von Literaturstudent Jarle Klepp (Rolf Kristian Larsen) kreist nämlich um Marcel Proust, Alkohol, Weiber und nicht zuletzt um ihn selbst. Er hat sich sein Leben zwischen Uni und Parties wohlfeil eingerichtet und möchte bis auf weiteres nicht gestört werden. Alles wäre gut, wenn nicht eines Tages ein Brief eintreffen würde, der ihm eröffnet, dass er der Vater einer mittlerweile siebenjährigen Tochter ist. Deren Ankunft in Bergen wird ihm dann auch gleich für die nächsten Tage avisiert. Auch wenn die Sache mit dem noch eilends eingeholten Vaterschaftstest im Film ziemlich unrealistisch wirkt (andere Länder, andere Vaterschaftstests?), gehen wir für den Rest der Geschichte davon aus, dass Jarle tatsächlich der Vater der kleinen Charlotte Isabel Hansen ist, die er dann vom Flughafen abholt und für eine geschlagene Woche an der Backe hat. In loser Folge treten jetzt auf: Jarles aktuelle Freundin, zwei skurrile Kommilitonen, ein Professor, Jarles Mutter, seine Nachbarin und Anette, die Mutter von Charlotte Isabel. Man hat den Eindruck, dass immer, wenn die Handlung nicht so recht voran kommt, neue Figuren und damit neue Konflikte in den Ring geworfen werden. Das ist auf Dauer vorhersehbar und ermüdend. Um so willkommener, dass die 1990er Jahre, in denen die Geschichte spielt, recht treffend eingefangen sind. Das Wiedersehen mit (der soeben dahingeschiedenen) Prinzessin Diana und das Wiederhören der Pixies hilft an der ein oder anderen Stelle über die inszenatorischen Schwächen hinweg. Auch der Frische und dem Charme des exzellent agierenden Rolf Kristian Larsen kann man sich nur schwer entziehen.
Dennoch besteht Ich reise allein nahezu ausschließlich aus einer Aneinanderreihung von Behauptungen, die den Betrachter vor sich hertreiben. Die Geschichte in Ruhe zu einer gewissen Tiefenwirkung auszuentwickeln hätte bitter Not getan, denn der dramatische Ansatz kommt kaum zur Entfaltung. Andererseits ist der Film zu lendenlahm und bieder, um als gute Komödie zu funktionieren; alles in allem also weder Fleisch noch Fisch. Genau deshalb – und weil er eine Altersfreigabe von 0 Jahren hat – ist er das Richtige für den Kinobesuch mit der ganzen Familie. Er tut niemandem weh und verursacht garantiert keinerlei Nebenwirkungen.
Ich reise allein, Norwegen 2011, Regie: Stian Kristiansen
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