DVD: Atrocious
Von Thomas Klotz // 3. Dezember 2011 // Tagged: featured, Found Footage, Horror // Keine Kommentare
Wieder einmal hat die Polizei Videomaterial am Schauplatz eines Verbrechens gefunden. Nein, keine Bekenner-DVD von Rechtsterroristen, sondern die gesammelten Heimvideos der Geschwister Cristian und July Quintanilla. In ihrem Feriendomizil in Sitges fand man zunächst die Familie ermordet auf, dann die Videos und schließlich eine Filmfirma, die das Ganze auf knapp 80 Minuten zusammengeschnitten hat.
Soweit die Legende. Ich finde es schon erstaunlich, dass die Produzenten und die Marketing-Abteilungen dem Publikum nach wie vor weismachen wollen, dass das, was man da jetzt zu sehen bekäme, echt wäre. Das hat doch schon bei „Blair Witch Project“, der Blaupause für das Genre, keiner geglaubt. Oder irre ich mich da? Daneben wären aber auch der zwingend notwendige Einsatz der Handkamera, der viele Zuschauer abschreckt, sowie die naturgemäß schlechte Ausleuchtung der Sets weitere Gründe für einen Filmschaffenden, doch lieber was anderes zu machen.
Auf der anderen Seite kann man so aber Horroreffekte erzeugen, die man auf herkömmliche Art und Weise nicht hinbekäme. Man denke zum Beispiel an die Überwachungskameraaufnahmen aus „Paranormal Activity“: Das Bild zeigt ein dunkles Zimmer. Es passiert nichts, aber man weiß, es wird etwas passieren. Nur was und wann?
Auch in Atrocious gibt es zwei solche Szenen, die aber mehr Zitat (und schon fast Finten) sind. Überhaupt macht Regisseur Fernando Barreda Luna seine Sache – in Kenntnis der Spielregeln – recht gut. Lange Zeit (und das will für einen solch kurzen Film schon etwas heissen) verzögert er und spielt mit der Erwartungshaltung des Publikums. So wird eine lokale Geisterlegende bemüht, der die Geschwister eigentlich auf den Grund gehen wollen, und die auch immer wieder angesprochen wird. Während der Ausflüge Cristians und Julys in das im Garten gelegene Heckenlabyrinth rechnet man jederzeit damit, dass die Legende zur Realität wird. Aber erst, als der Familienhund und eine Nacht später der kleine Bruder verschwinden, eskaliert die Geschichte.
Bei aller Souveränität stolpert Atrocious doch hin und wieder über die üblichen, genreimmanenten Fallstricke: Warum zum Teufel müssen die nun wirklich jeden Furz filmen? Warum auch noch mit zwei Kameras gleichzeitig? Und wenn Gefahr im Verzug ist, warum muss dann trotzdem weitergefilmt werden? Antworten hierauf gibt es hier auch nicht, aber immerhin ist das ganze sehr kurzweilig und Freunden des Genres zu empfehlen, nicht zuletzt wegen der überraschenden – weil untypischen – Auflösung.
Atrocious, Spanien 2010, Regie: Fernando Barreda Luna
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Atrocious