DVD: Jeder stirbt für sich allein

Von  //  27. November 2011  //  Tagged: , , ,  //  2 Kommentare

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So löblich es ist, Antikriegsromane zu verfilmen – vor allem von so herausragenden, alkoholsüchtigen Morphinisten wie Hans Fallada – so problematisch ist es, wenn andere Interessen überdeutlich in die Produktion hineinspielen. In diesem speziellen Falle: das Comeback der Hildegard Knef, die acht Jahre lang keinen Film mehr gedreht hatte. Es ist der Schauspielerin und Sängerin freilich anzurechnen, im hohen Alter keine glamouröse Rolle gewählt zu haben. Gleichwohl ist ihre Darstellung der sich zum Widerstand bekennenden aufrechten Kämpferin, der der Sohn fern der Heimat totgeschossen worden ist, eine ziemliche Katastrophe. Hier herrscht permanentes Overacting einer von ihrer Krebserkrankung gezeichneten Frau vor, ganz so, als müßte von einer imaginären Bühne herab bis in die hintersten Ränge noch Freude, Burschikosität oder eben: Leid und Verzweiflung dargestellt werden – eine Technik, die allzu oft ins überdeutliche Grimassieren ausufert; und das vor allem deswegen schwer zu ertragen ist, da Vohrer seinem Star sehr häufig Nahaufnahmen gestattet.

Aber die anderen Schauspieler stehen diesem Niveau in nichts nach: hier wird bestes Bauernkabarett gegeben, dass es eine Freude ist. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Ansiedelung des Stücks im Berliner Arbeiter- und Kleine Leute-Milieu. Der Prolet nimmt bei Vohrer kein Blatt vor den Mund und pseudoberlinert gut verständlich aber mit Schmackes und Racke auf den Stimmbändern durch den frostkalten Innenhof. Besonders Heinz Reincke tut sich hierbei mit seinem Schnapsorgan negativ hervor. Einzig Carl Raddatz, der den Gatten der Knef spielt, kann durch eine zurückhaltende und nuancierte Darstellung überzeugen. Die Figuren, insbesondere auch die Nazis, bleiben insgesamt zu schablonenhaft – hier ist wenig Platz für Grauwerte.

Die an und für sich berührende Geschichte Falladas – die Vohrer für seinen Fernsehfilm sehr frei „interpretiert“ und umorganisiert hat – verliert auf diese Weise ihr ganzes notwendiges Pathos, das einen emotionalen Bezug herstellen könnte. Auch Schnitt und Musik sind entweder ruppig oder platt. Wenn das Leiden in Großaufnahme ins Bild gesetzt wird, die knefschen Augen sich mit Tränen füllen, dann erklingen sacht die Geigen im Hintergrund. Ein harter Schnitt ins Schwarzweißbild des Kriegsfilms: Otti klappt in seinem Schützengraben tot zusammen. Schnitt auf die Knef, die sich rührselig mit dem Schicksal abfinden muss und sich zu einem Lächeln durchringt. Hach, der arme Otti!

 Jeder stirbt für sich allein aka Alone in Berlin: Every Man Dies Alone (Deutschland 1976; Regie: Alfred Vohrer)

Der Film ist in der Edition „Fernsehjuwelen“ am 21. Oktober 2011 erschienen und bietet deutschen und englischen Ton. Als Bonusmaterial findet sich ein Interview mit Heinz Hölscher (68 min). Die DVD kommt im Hochglanzpappschuber, der im Design merkwürdigerweise mit dem Cover der Amaray identisch ist.


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Über den Autor

Michael Schleeh schaut vor allem asiatische Filme. Seit ein paar Jahren betreibt er das Blog SCHNEELAND und schreibt Reviews für verschiedene Webseiten. Indisches Regionalkino ist sein aktuellstes Ding. ~~ Michaels Filmtagebuch: http://letterboxd.com/schneeland/ ~ Michaels Twitter: @mono_micha

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2 Kommentare zu "DVD: Jeder stirbt für sich allein"

  1. Michael Schleeh 28. November 2011 um 09:34 Uhr · Antworten

    Freut mich, dass wir hier recht eng beieinanderliegen. PERRAK kenne ich allerdings (noch) nicht, ist aber vorgemerkt. Dass ich mich mit meiner Beurteilung nicht leicht getan habe, siehst du auch daran, dass ich den Film mit „Deutsches Kino“ gelabelt habe. Hier hätte man auch gemeiner grätschen können (schließlich ist es ein Film, der in der Hauptsache Gemütslagen veranschaulicht).

  2. Christoph 28. November 2011 um 01:50 Uhr · Antworten

    Sicherlich kein Glanzpunkt in der Filmographie des großen Alfred Vohrer. Seine Rührstücke (auch Simmel & Co) wirken alle eher distanziert, mit spitzen Fingern gefilmt und auch sehr mechanisch. Aber in seinen Krimi-Reißern, da kam er zu sich. Wovon SIEBEN TAGE FRIST, PERRAK und einige Derrick-Episoden, u. a. der großartige TOTE VÖGEL SINGEN NICHT, eindrucksvoll Zeugnis ablegen. Vohrer war ein echter B-Filmer amerikanischen Zuschnitts, einer der wenigen in Deutschland. Warum seine Karriere in den 70igern diesen eher unbefriedigenden und laschen Schlenker Richtung Seifenoper und Heimatfilm nahm, ist unerklärlich – es dürfte daran gelegen haben, dass Filme der „Marke Vohrer“ zu dieser Zeit in der BRD kaum noch fürs Kino produziert wurden.

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