DVD: Blood in the Mobile (Blutige Handys)
Von Marco Siedelman // 16. September 2011 // Tagged: Afrika, Dokumentation // Keine Kommentare
Es ist gemeinhin bekannt, was man unter einem Blutdiamanten zu verstehen hat: Unter menschenunwürdigen Bedingungen zu Tage gefördert, gelangen sie viele Jahre unbemerkt (weil sich eben niemand um ihre Herkunft schert) in den internationalen Handel. Der Erlös der Diamanten fördert die zahlreichen kriegerischen Konflikte in Afrika und damit Massenmorde, Vergewaltigungen, Kinderarbeit, Genozide, diktatorische Militärregierungen, beispiellose Armut. Dank dem sogenannten Kimberley Process Certification Scheme haben es sich mittlerweile viele Staaten zur Pflicht gemacht, die Zulieferungskette der verkauften Diamanten transparent zu machen um damit dem Vertrieb der Blutdiamanten einen Riegel vorzuschieben.
Der dänische Dokumentarist Frank Piasechi Poulsen, der bereits mit Guerilla Girl (2005) von sich reden machte, lenkt in vorliegendem Film den Blick auf ein ebenso heikles wie skandalöses Thema, welches den Blutdiamanten sehr nahe steht. Poulsen klärt uns darüber auf, das potentiell jedes Handy der Welt (außerdem diverse andere elektronische Geräte, aber hier geht es um mobile Telefone) mit Bluterzen funktioniert. Zu einem Löwenanteil im kriegszerrütteten Kongo, der trotz reicher Bodenschätze zynischerweise zu den ärmsten Ländern der Welt zählt, abgebaut und von Großkonzernen wie Nokia (die hier im Mittelpunkt des Interesses stehen) fleißig gekauft. Der Regisseur leitet als (mitunter reichlich selbstgefälliger) Moderator durch den Film und begibt sich auf die Reise nach Afrika um der humanitären Katastrophe ein Gesicht zu verleihen.
Mitten im Dschungel sprießen illegal errichtete Bergwerke hervor, in denen Arbeiter immer wieder den Tod finden wenn die notdürftig gestützten Schächte regelmäßig zusammenbrechen. Viele Teenager im Pubertätsalter arbeiten an Orten wie dem exemplarisch besuchten Bisie, der Teufelskreis aus erschöpfender Arbeit und minimaler Bezahlung zwingt die Betroffenen in ein Abhängigkeitsverhältnis, das sie unweigerlich zu modernen Sklaven macht. Die Firmenbosse, die sich natürlich nur durch Pressesprecher vertreten lassen, wissen natürlich um diese ungeheurliche Situation, nehmen sie aber seit mindestens zehn Jahren stillschweigend in Kauf. Die brandaktuellen Misstände, auf die Blood in the Mobile hinweist, verdienen also in jedem Fall eine Entdeckung durch die Massenmedien.
In seiner polemischen Forderung nach politischer Integrität erinnert Poulsen an Michael Moore, in seiner ständigen Hervorhebung der extremen Drehbedingungen an einen Werner Herzog – Poulsen erzählt unentwegt von den Gefahren, in die sich das Team begibt und beschwört mit einigen recht windigen Inszenierungstricks eine Hölle, die sich in einer nüchternen Abbildung zweifellos intensiver auf den Betrachter überträgen hätte. Kurz gesagt, Blood in the Mobile bietet nicht den besten vorstellbaren Investigativjournalismus, ist auch in den zweifelsfrei frustrierenden Besuchen in der skandinavischen Nokia-Chefetage nicht frei von fragwürdigen Simplifizierungen. Andererseits ist Poulsen auch glaubwürdig in seinem Anliegen, zudem stochert er in einem Hornissennest – es ist daher vielleicht nur eine verzweifelte Trotzreaktion, den ständigen Abweisungen und Ausflüchten auf diese Art zu begegnen.
DK/D 2009, Regie: Frank Piasechi Poulsen
Die DVD zum Film erscheint am 07. Oktober bei Neue Visionen. Eine erheblich gestutzte Version des Films – die auch auf der DVD zur Verfügung steht – lief bereits auf ARTE.