Greek Lightning
Von Marco Siedelmann & Christoph Draxtra // 8. August 2011 // Tagged: Action, Porno, Queer, Verfolgungsjagd // 2 Kommentare
CHRISTOPH: Es scheint, als hätten wir uns beide etwas mehr von GREEK LIGHTNING versprochen, Marco – ich persönlich zumindest mehr, als der verwegene Vorspann, eine schwule Replik der James Bond-Titelsequenzen von Maurice Binder, versprochen hat.
MARCO: Doch, der Vorspann ist ja auch eine ziemliche Wucht und ganz schlecht fand ich diesen niedlichen Streifen auch ganz sicher nicht. Ich muss aber einräumen, das er mich manches mal verloren hat und ich seine zahlreichen Plotlines nicht so recht verfolgen konnte.
CHRISTOPH: Was in sofern nachvollziehbar ist, da sich der Film seinen schlanken 74 Minuten Laufzeit zum Trotz in den Kopf setzt, zwischen den vielen Sex auch noch eine „vollwertige“ Kriminalhandlung zu pressen.
Im Wesentlichen soll wohl der ganz seinem machistischen Vorbild Bond nachempfundene Privatdetektiv Johnny Acropolis einige (homo)erotische Fotos sicherstellen, die eine “top political figure” kompromittieren würden. Pikanterweise sind Hinweise auf den Verbleib dieser Fotos auf dem Körper des jungen Briten Rex eintätowiert, was natürlich eine tiefschürfende Körperinspektion (und mehr) nach sich zieht: „Rex, would you please take your clothes off?”
Hinter diesen Fotos ist wiederum eine kriminelle, schwule Untergrundorganisation her.
Zumindest ist das der rote Faden, den ich zwischen dem wilden Springen, Hüpfen und Tänzeln der einzelnen Episoden ausfindig machen konnte.
Gerade diese wilden Sprünge und teils notgedrungenen, bisweilen aber offenbar auch tollkühn in Kauf genommenen Ellipsen verleihen dabei allerdings dem Geschehen jenseits der „man on man action“ eine angenehm absurde Qualität, zeitweise in echter Pulp-Manier.
MARCO: Schwierigkeiten hat mir wahrscheinlich die dubiose Geheimorganisation gemacht, deren Machenschaften mir ziemlich schleierhaft blieben. Ich habe mir von dem Film im Übrigen auch eine schwule Antwort auf den von John Holmes gespielten Detektiv Johnny Wadd versprochen. Warum genau kann ich nicht erklären und es ist sicher unfair, den Film überhaupt mit diesem Vergleich zu konfrontieren. Da Wadd aber eine so omnipräsente Figur war (immerhin die einzige populäre, die seriell auftrat), fällt es mir schwer, über einen Pornodetektiv dieser Zeit nachzudenken, der sich nicht auf Holmes‘ Filmpersona bezieht. Die von dir erwähnten Bond-Bezüge im Vorspann sind aber tatsächlich so ausgeprägt, das man Johnny Acropolis kaum von seinem Vorbild trennen kann. Während Wadd eine eher genuine aber trockene Pulpfigur ist, deren Film-Noir-Ursprünge nur noch rudimentär durchschimmern, ist Acropolis wirklich pure Parodie.
CHRISTOPH: Ich bezog mich mit meinem James Bond-Vergleich auch eher auf das Erscheinungsbild der Figur und das spezifische, ausgestellte sexuelle Charisma als auf den Charakter selbst, der mir doch eher dem Archetyp des etwas schnodderigen “Privatschnüfflers” (oder “private dick”, wie man im Englischen so schön sleazig sagt) zu entsprechen scheint, wenn auch lediglich aus ironischer Distanz. Nur der vigorose, offen aggressive sexuelle Appetit musste vom britischen Kollegen herübergerettet werden. Mehrmals verabschiedet sich Acropolis grinsend und mit halb geöffneter Hose von einem seiner “Informanten” mit Sätzen wie “Wir machen demnächst da weiter, wo wir eben so gut angefangen haben!”…
Da sehe ich schon einen Hang zum erwünschten Camp, genauso wie in dem tuckigen Kasperltheater der Organisation.
MARCO: Stimmt schon, den Bondvergleich sollte man weder allzu stark gewichten noch überstrapazieren. Am besten hat mir übrigens der Off-Kommentar gefallen, der beherzt in bester Trailer-Manier aus der eigentlich nur über Gespräche und Telefonate ersichtlichen Story ein furioses Getöse macht. Gerne hätte der ganze Film von dieser Stimme getragen werden können, die eine trashige Atmosphäre schafft wie sie sonst nur in Schwergewichten wie der Adam-West-Batmanserie zu finden ist. Leider verabschiedet der Erzähler sich nach einiger Zeit.
CHRISTOPH: Das war wirklich schade – ich habe ihn irgendwann auch sehr vermisst. Allerdings gewinnt der Film dadurch, dass er, besonders in zweiten Hälfte, nachdem er sich entspannt durch die erste gestoßen und geschmust hat, alles mitnehmen möchte – eine Romanze, eine Entführung, die obligatorische Folterszene und zuguterletzt eine Verfolgungsjagd – ja doch einen ungeheuren Schwung, der anfangs unbeholfen immer wieder abgestoppt wird, um noch eine Nummer einzubauen. Bis sich der Film dann aber zuguterletzt doch noch, notgedrungen, dem Plot hingibt. Das hat mir sehr gut gefallen, weil es gegen Ende noch so etwas wie eine vielversprechende Ahnung eines schwulen Exploitation-Krimi-Reißers zulässt, einer “mit spekulativen homoerotischen Einlagen durchsetzten, üblen Kolportage”, wie es der “Filmdienst” vielleicht genannt hätte. Als Höhepunkt sozusagen. Als Höhepunkt in jeder Hinsicht, so over-the-top wie wie hier oft ganz plötzlich wild mit dröhnender Monsterfilm-Musik und diversen Stilmitteln des zeitgenössischen Action-Kinos hantiert wird.
MARCO: Die in den Bond-Filmen der Siebziger manchmal unnötig verkomplizierten Plots imitiert der Film damit in gehetztem Tempo – wirklich bestechend und irritierend geschmackvoll der dreiste Musikraub, der einen Kinostart ziemlich unmöglich gemacht haben dürfte. Bei der Zweitsichtung ist mir dann aufgefallen, wie filmisch beispielsweise die Verfolgungsjagd ausgefallen ist und das Regisseur Warren Stephens (der leider keinen zweiten Film gemacht hat, wenn man den gängigen Quellen vertrauen darf) ein nahezu tarantinoeskes Gespür dafür entwickelt, die Fremdkompositionen in einen völlig anderen Kontext zu setzen und sie so anzuordnen, als wären sie tatsächlich für diesen Film geschrieben. In dieser Form habe ich das nur bei ganz wenigen weiteren B-Filmern gesehen/gehört.
CHRISTOPH: Ob Ennio Morricone je erfahren hat, wie exzessiv seine Scores im amerikanischen Hardcore-Kino wiederverwertet wurden? Im Kino lief der Film jedenfalls trotzdem, wie soviele andere Pornos, die ihre Musik aus größeren Filmen oder direkt aus den Charts bezogen. Tatsächlich wollte sich offenbar niemand die Hände schmutzig machen im Streit mit den Pornoproduzenten, oftmals drang die Kunde von derartigen Diebstählen wohl auch gar nicht erst durch zu den Rechteinhabern.
Gottseidank, denn sonst stünde GREEK LIGHTNING vielleicht ohne dieses (neben den Darstellern, dazu vielleicht gleich noch mehr) besonders hervorstechende Potenz-Attribut da, diesen unglaublichen zusammengemixten musikalischen Teppich aus John Barry, Ennio Morricone, Peter Thomas und anderen Größen dieser Klasse.
Mich hat bei derartigen Produktionen schon oft der glänzende Geschmack der Musikdiebe prächtig über die Runden, bzw. etwas eintönigere Sexszenen gebracht. Ein bischen wie ein „Best of“-Sampler der 70iger-Lounge, Film- und Rockmusik, unterlegt mit erotischem „Bildragout“ (© Filmdienst).
MARCO: Was sagst du denn im übrigen zum Sex, dem ja wirklich mit fortschreitender Handlung immer weniger Wichtigkeit zugemessen wird? Wie hoch hat das Barometer bei dir ausgeschlagen, deine Bemerkung zu den Schauspielern lässt ja positives vermuten?
CHRISTOPH: Bei Jimmy Hughes, dem Hauptdarsteller, schlägt mein Barometer definitiv aus. Natürlich ist er im Grunde ein Vorläufer des modernen Porno-Schönlings, säuberlich gestählt, jungenhaft, wenn man so böse will die „Fickmaschine aus der Porno-Videokassette nebenan“. Aber er hat noch eine naiv-draufgängerische Ausstrahlung, man kann ihn heimlich fantasierend von der Seite mustern wie man zu Schulzeiten in Nachmittagsschläfchen auf der Tischplatte den in Tagträumen begehrten, ein Jahr älteren, größeren, umschwärmten Klassenkameraden (bzw. Klassenhecht) angestarrt hat. Interessanterweise schnitt trotz meiner ausgeprägten Vorliebe für diesen Typ die „Vergewaltigungsszene“, in der der Bösewicht seine immens bestückten „Folterknechte“ auf Acropolis „hetzt“, besonders hervorstechend ab. Nach gängigen Pornomustern wäre das bei einem Darsteller wie Hughes (Industrie-Marke „Hunk“) zumeist die unpopulärste Sexszene des Films. James Bond muss immer oben liegen.
Jedenfalls ist genau dieses spezifische, stämmig-halbstarke sexuelle Charisma auch der Schlüssel zum ganz eigenen Charisma des Films, den man sich viel eher als Resultat einer freizügigen und spontanen Wochenendparty filmbegeisterter (und völlig -unerfahrener) schwuler Freunde denn als Produkt einer stramm organisierten Pornoproduktion vorstellen könnte. Was, die beiden machen miteinander rum? Super, schnappen wir uns die Kamera, das bauen wir dann irgendwie ein, vielleicht in eine Detektivgeschichte?
Dann aber muss die Partygesellschaft sich sehr schnell viel zu sehr für die Idee erwärmt haben, man ist die Straßen von L.A. Abgefahren, hat sich Stricher als „Komparserie“ aufgegabelt und dann wurde auch der Sex viel zu bildbewusst. Die Unsicherheit der meisten Sexszenen, ihre Durchsichtigkeit, dieses „Wir machen es vor allem für die Kamera“ lässt hier aber, im Gegensatz zu mechanischen, „hochprofessionellen“ Gerammel späterer Pornos, einen gewissen erotischen Effekt zu, ein wenig so, als wäre man selbst auf dieser Party dabei gewesen und hätte zwei der Gäste beim Flaschendrehen zu dieser „Pflicht“ verdonnert.
MARCO: Was wiederum doch auch Parallelen zu Holmes aufwirft, der meist auch in dieser Art beschrieben wird. Jimmy Hughes tritt ähnlich jungenhaft verschmitzt auf, ihm fehlt allerdings auch die gewisse Schäbigkeit, so dass er meines Erachtens nach recht blass bleibt. Den Urlaubsvideoflair hat GREEK LIGHTNING tatsächlich: er verliert ihn selbst in der erwähnten (Bondage-)Vergewaltigung nicht, die an sich auch sehr zaghaft ausgefallen ist.
Eine schöne Vorstellung, den Film als ausgeartete Party zu betrachten – das in etwa, was die spätere Fickparade THE OTHER SIDE OF ASPEN (1983) zeigen will, aber nicht fühlbar macht. Einer der Partygäste muss aber doch ein ausgemachter Filmfreund gewesen sein, wovon die teils überraschend stichfesten Gags zeugen.
CHRISTOPH: Das mit Sicherheit. Dieses Groschenroman-Feeling, der von dir bereits zu recht erwähnte, reißerisch schwadronierende Erzähler, der König der Unterwelt als schwadronierende „Queen“, Camp an der Schwelle zur Postmoderne. Und dann aber auch vereinzelte, geradezu cinephile, klassische „Actionszenen“ in der zweiten Hälfte. Über die nächtlichen Straßen flitzen die Auto-Scheinwerfer, ihre Strahlen in der Kameralinse brechend, hin zu einer Treppe, an der sich im fahlen Lichtkegel einer Straßenlampe Johnny und Rex im letzten Moment noch einmal treffen, bevor die Gangster heran sind…
Obwohl ich das Ungeschlachte, Holprige und eher liebenswert Dillettantische des Films sehr mochte, kam ich teilweise nicht umhin, ihn mir in Gedanken zum ernsthaften, schwulen „Porn noir“ zurechtzuwünschen. Denn die Handlungssegmente haben mir hier letztlich doch weit mehr Vergnügen verschafft als der überwiegend ungemütlich aussehende Sex, der in diesem Film von der ungelenken Kamera und Montage nicht so ausdrücklich profitiert wie das, was man aus den populären Vorbildern im ästhetischen Sakko und fleckenfreien Abendkleid kennt. Wenn ich an diesen wunderbar unwirklichen Moment denke, in dem ein Handlanger des Bösewichts in einem Park die Aufmerksamkeit unseres Helden auf sich zu ziehen versucht und von ihm einen Moment zu früh auf Johnny geschnitten wird, der daher einen Moment zu lange zögert, bevor er los, dem Jungen nachrennt. Das ist eine schöne dynamische Irritation, wie sie nur eine solche Produktion in den filmischen Raum werfen kann.
MARCO: Christian Keßler hat über den ersten JOHNNY WADD geschrieben, er dekonstruiere jegliche Logik des klassischen Detektivkinos komplett aus reinem Dilettantismus. Das trifft natürlich auch auf Johnny Acropolis zu, der allerdings das Rollenprofil des hartgekochten Schnüfflers durch seine Homosexualität noch offensiver umkehrt. Da selbst zu Golden-Age-Zeiten nur eine überschaubare Zahl interessanter und handlungsorientierter Schwulenpornos das Licht der Welt erblickte, darf man für einen so originären Spielfilmversuch durchaus dankbar sein und er lädt aufgrund seiner unberechenbaren Vielfalt gleich mehrfach zum Träumen ein, was alles hätte passieren können im (Sub-)Genre.
Deine Ahnungen und Assoziationen in Richtung Genrefilm sind ja ebenfalls berechtigt – wie ich von dir weiß, ist die hinter dem Film steckende Produktionsfirma „Jaguar Films“ mit einem vergleichsweise geringen Output eine saftige Sleazekunst-Oase in einer von stumpfer Einheitsfickerei gesäumten Wüstenlandschaft langweiliger Stangenpornos. Auf das Konto des Labels gehen unter anderem der morbid-faszinierende A GHOST OF A CHANCE und der Peter-Berlin-Kultfilm NIGHTS IN BLACK LEATHER (beide 1973).
CHRISTOPH: Und noch viele andere, auf die wir teilweise bestimmt noch zurückkommen werden. Hoffentlich auch in besserer Bildqualität als die uns vorliegende Fassung von GREEK LIGHTNING, deren auslaufende Rot- und Blau-Kontraste allerdings jene begehrliche Abstraktion hin zum Genrekino noch mehr forciert hat, zumindest bei mir. Gerade weil Genre hier nur suggeriert, nicht aber konkret erreicht werden kann, muss der Genrefilm in Eigenregie des Zuschauers entstehen, umso mehr, wenn seine Bilder in einem physisch geradezu ins Psychedelische zerfallenen VHS-Gewand auftreten und der etwas verschämte Sex sich irgendwann so sehr in den Hintergrund verabschiedet. Und auf diesem verschlungenen Schleichweg ist GREEK LIGHTNING im Kleinen vielleicht letztlich doch genau das, was ein Porno im besten Fall auch sein sollte: Kopfkino.
USA 1973 / R: Warren Stephens
2 Kommentare zu "Greek Lightning"
Unter diesem Bild verbirgt sich natürlich eine „hard sensation“. Und ich hätte das auch sofort gezeigt, aber du weißt ja, wie puritanisch mit dergleichen im deutschen Netz umgegangen wird… Ein steifer Schwanz und schon setzt es im schlimmsten Fall eine Mahnung und Aufforderung zur Alterssperre. Und so sehr wollte ich den Hardheads ihren Blog dann doch nicht beschmuddeln, daher der Stern (der eigentlich auch noch blinken sollte;-).
D’accord auch hinsichtlich des Abwärtstrends – du legst da den Finger in einen offene Wunde der Männerwelt.
Was verbirgt sich denn unter dem kleinen gelben Stern (erstes Bild)? Meinetwegen hättet ihr das ruhig zeigen dürfen… – Und: Hach! Was waren wir Jungs der 70er Jahre doch geil und niedlich. :) Ein Abwärtstrend ist unübersehbar.