Ein Interview mit Wakefield Poole / An interview with Wakefield Poole
Von Redaktion // 17. August 2011 // Tagged: featured, Interview, Pornfilmfestival 2012, Porno, Queer, Wakefield Poole // Keine Kommentare
Wakefield Poole gehört zu den Regisseuren, die in den siebziger Jahren den porno chic erfunden haben: Sein erster Langfilm Boys in the Sand verbuchte einen ungeahnten Erfolg an den Kinokassen und wurde noch vor Gerard Damianos Deep Throat von Zeitungen wie der New York Times besprochen. Jim Tushinskis Dokumentation Dirty Poole, die das ereignisreiche Leben von Wakefield Poole zwischen Broadway und Porno, Kunstsammlung und Drogenmissbrauch unter die Lupe nimmt, wartet auf Veröffentlichung und wird hoffentlich bald auf Filmfestivals zu sehen sein. Durch Glück und Fleiß bekamen wir die Gelegenheit, diesem Genrepionier per E-Mail einige Fragen zu stellen.
Hard Sensations: Was hat Sie dazu bewegt, ihren ersten Pornofilm mit privaten Mitteln zu finanzieren? Haben Sie das Projekt als eine Art Abenteuer betrachtet, oder waren Sie von Beginn an davon überzeugt, dass Sie das Talent als Regisseur haben?
Wakefield Poole: Ich benutzte meine Kreditkarten, um Boys In The Sand (Bits) zu machen. Ein Experiment, ich wollte herausfinden, ob man einen Pornofilm machen kann, der nicht entwürdigend und hässlich ist. Ich hatte schon bei Multi-Media-Shows der Triton Gallery mit Film experimentiert, und als mir dann die Idee kam es zu versuchen, drehte ich einfach eine Episode. Nur so zum Spaß. Es war nie geplant, sie öffentlich zu zeigen. Als Freunde und mein Manager sie gesehen hatten, ermutigten sie mich, weitere Episoden hinzu zu fügen und einen Langfilm daraus zu machen. Mein Manager wurde mein Partner, und so hat die Sache angefangen.
HS: Wir nehmen an, dass Sie anfänglich nicht mit professionellen Darstellern gearbeitet haben. Was hat die Männer dazu bewegt, in Ihren Filmen mitzuspielen? Wussten sie im Vorhinein genau, was für Szenen sie spielen würden? Und was haben die Darsteller im „normalen“ Leben gemacht?
WP: Ursprünglich sollten zwei meiner Mitbewohner aus Fire Island in der Episode auftreten. Sie waren ein Paar und dachten, sie hätten Spaß daran. Allerdings – wie so oft – überlegten es sich die beiden anders, als wir dann tatsächlich drehen wollten. Von meiner Seite aus war aber bereits alles vorbereitet, also fragte ich meinen Liebhaber Peter, ob er es mit einem Typ namens Danny machen würde, der in einem Souvenir-Laden auf der Insel arbeitete. Wir hatten ohnehin geplant, mal einen Dreier mit Danny zu machen, also fragte ich ihn, ob er Lust hätte, einen Sex-Film mit Peter zu machen. Und er sagte ja. Wir hatten nicht vor, das zu veröffentlichen, also war es einfach ein nettes, freundschaftliches Treffen. Wie in vielen Plots von Judy Garland Filmen: „Dann ziehen wir halt alle zusammen die Show in der Scheune auf!“ Peter war IT-Berater, und wir waren zu dem Zeitpunkt zwei Jahre zusammen.
HS: Ihre Darsteller beweisen in Ihren Filmen ausgeprägtes akrobatisches Talent (teilweise erinnern die Szenen sogar an das Kama Sutra oder antike griechische Darstellungen). Jeder verfügt über einen eigenen, einfallsreichen Stil und individuelle Techniken. Sie sagen in ihrem Kommentar zu Boys in the Sand, dass Sie den Darstellern diesbezüglich viel Freiheit lassen – was sich unbedingt lohnt, denn die resultierenden Szenen sind wunderschön und angenehm anzuschauen. Könnten Sie hierzu noch ein wenig erzählen?
WP: Ich schreibe meinen Schauspielern niemals vor, wann sie welche sexuellen Handlungen zu tun haben. Mir ist es wichtig, dass sie sich sexuell anziehend finden und respektvoll miteinander umgehen. Das ist die Freiheit, von der ich sprach. Ich wollte, dass alles ganz natürlich passiert. Würde ich ihnen sagen, was sie machen sollen, könnten sie nie sicher sein, ob sie meine Erwartungen erfüllen. Beim Sex ist es das einzig Wahre, die Dinge geschehen zu lassen. Die Szenen werden hierdurch authentisch.
HS: Calvin Culver war Hauptdarsteller in mehreren Ihrer Filme. Waren Sie auch befreundet oder pflegten Sie zu ihm nur beruflich Kontakt?
WP: Cal Culver wurde mir empfohlen, als ich Ersatz für Danny brauchte. Als Danny erfuhr, dass wir den Film kommerziell verwerten wollen, verlangte er eine horrende Gage. Mir wurde klar, dass ich die Szenen für viel weniger Geld vollständig neu drehen konnte. Das Schicksal war auf meiner Seite, denn Cal war ein Naturtalent und trug enorm zum Erfolg des Films bei. Er war außerdem ein großartiger Mensch. Er war Lehrer, und nachdem Bits angelaufen war, wurde er sofort zum Star. Wir blieben gute Freunde und haben oft zusammen gearbeitet.
HS: Sie waren am Broadway beschäftigt und haben in den 60ern bereits viele berühmte Menschen kennen gelernt. Erzählen Sie uns ein wenig über Ihre Karriere vor der Filmarbeit.
WP: In den 1960er Jahren habe ich zwölf Broadway-Shows und die ganzen großen TV-Shows gemacht und mit allen Größen der Branche gearbeitet. Richard Rodgers, Noel Coward, Steven Sondheim, Arthur Laurents, George Abbot, und Joe Layton in der Produktion. Einige der Künstler, mit denen ich als Tänzer, Regisseur und Choreograph gearbeitet habe, waren Liza Minnelli, Angela Lansbury, Joel Grey, Carol Burnett, Alexis Smith, Howard Keel, Gordon Macrae, Shirley Jones, Dorothy Collins und etliche andere. Ich arbeitete in den Sechzigern fast ununterbrochen. Ich habe extrem viel gelernt und hatte wahnsinnig viel Spaß dabei.
HS: Wie war/ist Ihre Beziehung zur (Westcoast-) Künstlerszene? Manche Ihrer Settings erinnern an David Hockneys Swimming-Pool-Bilder.
WP: Schon als Teenager ging ich oft ins Museum, und als ich erfolgreicher wurde, begann ich Pop Art zu sammeln. Meine erste große Anschaffung waren Warhols Marilyns, die Siebdruck Serie. Irgendwann besaß ich dann vierundzwanzig Warhols, vier Lichtensteins, drei Oldenburgs, zwei Jim Dines, zwei Rushas, einen Jasper Johns und eine Nancy Grossman sowie einige Arbeiten unbekannterer Künstler. Ich kannte die New Yorker Kunst Szene ziemlich gut. Als ich 1974 nach Kalifornien zog, habe ich mit dem Sammeln so gut wie aufgehört. Ich schätze viele der West-Coast Künstler, war aber nie so in der Szene beheimatet wie in New York.
HS: Wie sehr hat sich die Arbeit als Choreograf auf die Inszenierung Ihrer Filme ausgewirkt? Waren Sie als Bühnenmensch überhaupt am Kino allgemein interessiert?
WP: Die Ausbildung und der Tanz im Ballet Russe in den Jahren 1957 & 1958 hatten einen großen Einfluss auf die künstlerische Richtung, die ich einschlug. Ich war dabei, ein ziemlich bekannter Choreograph zu werden, als ich Bits machte. Doch der Erfolg des Films in Verbindung mit der Tatsache, dass ich meinen Namen stolz über den Titel eines Sex-Films setzte, war der Sargnagel für meine Theater-Karriere. Der wichtigste Einfluss aus meiner Arbeit am Theater ist die Musik, die ich als Begleitung für meine sexuellen Ausschweifungen auswählte. Plötzlich hatten die Leute Sex zu klassischer Musik anstatt zu Rock oder so. Es war eine romantische Phase.
HS: Boys In the Sand merkt man Ihre Musikalität an. Der Film hat etwas von einer locker improvisierten Jazz-Session; die Atmosphäre erinnert an den Film Jazz on a Summer’s Day. Über die letzte Episode in Boys In the Sand sagen Sie: „Sie spielten einander wie Instrumente“…
WP: Da ich keine Dialoge verwende, ist Musik äußerst wichtig in meinen Filmen. Die Musik bestimmt die Stimmung jeder Episode. Man kann sie variieren, wie ich es in Bits gemacht habe. Von Debussy über die Beach Boys zu indischer Musik. Der jeweilige Sound passt sehr gut zu seiner Episode und hebt die Szenen von einander ab.
HS: Boys In the Sand war ein großer Erfolg. Konnten Sie mit den weiteren Projekte daran anknüpfen oder waren die Porno-Filme zunächst ein „Hobby“ neben der Bühnenkarriere?
WP: Wie gesagt, nach dem Erfolg von Bits hatte ich keine andere Wahl, als auf dem einmal eingeschlagenen Weg zu bleiben. Ich verdiente in kurzer Zeit eine Menge Geld und begann sofort mit der Produktion von Bijou. Der Film wurde genau zehn Monate nach Bits veröffentlicht und war ein ebenso großer Erfolg. Es kamen keine Angebote mehr vom Theater. Es war, als wäre ich jemand anderer geworden und Wakefield Poole, der Broadway Tänzer und Choreograph, sei gestorben. Die meisten meiner schwulen Freunde blieben, aber ich hörte nur noch sehr wenig von meinen heterosexuellen Freunden am Theater.
HS: Moving! erinnert stark an Boys in the Sand und nutzt fast die gleichen Erzähl- und Verfremdungsstrategien, allerdings ist der Sex hier ein wenig expliziter ausgefallen. Entspricht die Fisting-Szene auch ihrem Geschmack oder ist sie im Film enthalten, um auf dem Markt bessere Verkaufschancen zu erzielen?
WP: Moving! geht ziemlich in die gleiche Richtung wie Bits. Nach Bijou machte ich einen Hetero-Soft-Core Film nach vier Geschichten aus der Bibel. Er kostete mich 150.000 Dollar und war ein furchtbarer Reinfall. Es ist wirklich ein schöner Film, aber alle wollten Hardcore Sex. Das war auch die Zeit der Deep-Throat-Prozesse. Keine gute Zeit für Porno. Michael Bennett plante gerade A Chorus Line. Michael war ein guter Freund und wurde auch von meinem Partner Marvin Shulman gemanagt. Michael wollte ein Jahr Auszeit nehmen, um an der Show zu arbeiten. Also bat mich Marvin, noch einen Film zu machen, um Geld für uns aufzutreiben. Ich machte Moving! mit dem gleichen Budget, mit dem ich Bits gemacht hatte. 4.800 Dollar. Ich musste mich auf mein Talent verlassen, nicht auf die Produktion. Am Ende bezahlten wir die Produktionsvorbereitungen von Michaels Show. Nicht schlecht für einen „billigen“ Schwulen-Porno. Michael hat aus unserem Anteil an seinem Erfolg nie einen Hehl gemacht.
HS: Die alten Zeiten, das Golden Age of Porn: Happy Hippie – und zugleich der Vietnamkrieg. Die Befreiung von Körper und Geist – und zugleich Suchtkrankheiten, und dann, am Ende, Aids. Wie wirkt die damalige Zeit im Nachhinein auf Sie? „Make love not war“ wurde aufgegeben, vieles, was damals begonnen wurde, fand keine Fortsetzung. Nicht nur in der Pornobranche gabe es diesen Bruch vom „Golden Age“ zum „Plastic Age“. Können Sie sich erklären, was sich in Bezug auf Sexualität und die Gesellschaft allgemein verändert hat und warum? Leben Sie gern in der heutigen Zeit, oder werden Sie nostalgisch, wenn Sie an die 70er Jahre denken?
WP: Was die alten Zeiten angeht: Jede Generation hat ihre „goldenen Jahre“ von „was auch immer“. Ich habe die goldenen Jahre des Broadway, des Fernsehens, des Kinos, des Porno, des Coming-Out, der freien Liebe, der Drogen, der Beziehungen und wer weiß was erlebt. Natürlich schaue ich darauf wehmütig zurück. Die meisten meiner Freunde lebten damals noch. Das war das Schwerste. Die dramatischsten Veränderungen brachte die Bedrohung durch AIDS. Die Krankheit veränderte und betraf jeden. Den atemberaubenden Siebzigern folgten die grauenhaften Achtziger. Heute genieße ich das Leben, aber anders als früher. Ich lebe seit 25 Jahren zölibatär, Sex spielt in meinem Leben also keine Rolle. Ich schaue mir immer noch gerne ein schönes Gesicht an, aber es genügt mir, es einfach zu bewundern. Ich bin bin jetzt 75 Jahre alt, und so sollte es sein.
HS: Sie sagten einmal, The Doors seien Ihre Lieblingsband – die melancholischste und abgründigste Band der damaligen Zeit. Die dunkle Seite der Sexualität war eines der großen Themen der Doors. Sowohl in Boys in the Sand als auch in Moving! schwingt dieses Dunkle mit, aber untergründig. Wie eine sommerliche Spannung, fast ein Stillstand. Tag für Tag scheint die Sonne und die Leute sind in dieser Trance, in der das Denken schwer fällt, Sinnlichkeit aber leicht…
WP: Die Doors sind, neben Pink Floyd, immer noch meine Lieblingsband, wegen ihre Düsternis und Tiefe, aber andererseits fällt auch Richard Strauss in diese Kategorie. Es gibt einen Grund dafür, dass S&M Leute die Opernhäuser füllen wann immer eine Strauss Oper aufgeführt wird. Sie nähern sich der Kunst und dem Leben auf eine realistische, aber komplexe Art und Weise.
HS: In Ihren Filmen wird nie gesprochen, was in Ihren Figuren vorgeht lässt sich oft nur erahnen. Roger dreht uns am Ende des Kurzfilms wortlos den Rücken zu, nachdem er gekommen ist. In Boys in the Sand tauchen Menschen aus dem Nichts auf und verschwinden wieder im Nichts. „Fade out to nothingness…“ nennen Sie das selbst. Es ist, als wären die Männer nur für diese Szenen aus der Umgebung (Natur, Wasser, Luft) geboren worden. Man glaubt, den Traum zu spüren, so etwas möge geschehen, mit dieser Leichtigkeit, Ungezwungenheit und Freiheit, ohne Eifersucht, psychischen Druck, Ängste, ohne Konsequenzen. Erzählt diese Anonymität etwas von ihrer Haltung gegenüber dem schwulen Lifestyle der Siebziger? Inwiefern hat sich der Zeitgeist verändert?
WP: Die Figuren in meinen frühen Filmen reden nie, denn in dem Moment, in dem sie etwas sagen, wird es spezifisch und real. In meinen Filmen geht es um Kopfsex. Je mehr du über sie nachdenkst, desto bedröhnter wirst du. Ich meine das im positiven Sinne. Ich denke, die Spannung in Bijou ist das, was den Film so faszinierend macht. Ist der Bauarbeiter schwul? Warum hängen Bilder aus dem Playboy an seiner Wand? Was macht Jesus an der Innenseite seiner Haustür? Sollen die Männer im Bijou Club Frauen gefügig sein? Soll es eine religiöse Erfahrung sein? Ich könnte endlos weiter fragen. Ich wollte nicht, dass es Antworten gibt. Die Antworten sind in deinem Kopf. Wenn du dir deine Fragen selbst beantwortest, wird der Film vollständiger. Man muss sich selbst einbringen, damit die Sache Spaß macht!
HS: Neben zwei weiteren Filmen drehten Sie 1974 auch einen dokumentarischen Kurzfilm über die Freedom Day Parade in San Francisco. Wie kam es dazu?
WP: Ich drehte zwei Kurzfilme, weil ich die Gay Parade 1974 festhalten wollte, mein erstes Jahr in San Francisco, eine außergewöhnliche Zeit. Material aus den Kurzfilmen wurde später von vielen Regisseuren in ihren Filmen verwendet. That Man: Peter Berlin, When Ocean Meets Sky, das Jack Wrangler Biopic. Und auch in vielen anderen. Wie Ihr bereits erwähnt habt, machte niemand mehr Kurzfilme und Loops. Roger drehte ich als Teil einer Live Show für Schwulenclubs, die ich für ihn produziert hatte. Natürlich war es verboten, in einer live Show einen Orgasmus zu haben, also ließ ich Roger seine Klamotten ausziehen und masturbieren. Das wurde von der lebensgroßen Projektion begleitet, und wenn das Regiesignal kam, drehte er sich einfach um und der Film zeigte den Rest. Das Publikum flippte aus. Ich hatte das Gesetz ausgehebelt, und das Publikum liebte es. Ich ließ den Film über Irving, Inc. an all meine 8mm Kunden vermarkten.
HS: Können Sie uns mehr über Roger erzählen, der in dem gleichnamigen Kurzfilm das „erotische Solo“ zelebrierte? Wäre Calvin Culver auch für so eine Rolle in Frage gekommen?
WP: Roger war sein einziger Künstlername. Er machte lediglich fünf Filme und verschwand dann, um ein ganz normales Leben als Ehemann zu führen. Er war bisexuell, wenn er dafür bezahlt wurde. Man könnte sagen, er war der erste „Gay for Pay“ Porno Star. Und was für einer! Roger drehte ich aus einem bestimmten Anlass. Wie Ihr schon gesagt habt, zu dieser Zeit machte kein Mensch Solo-Kurzfilme. Abgesehen davon hatte Cal einen voll gepackten Terminkalender und ein ebensolches Leben. Aber wenn ich gerade in den Vorbereitungen für eine neue Produktion war, kam es vor, dass er plötzlich vor der Tür stand, nachdem er den Winter in Key West verbracht hatte. Es war schon wunderlich, wie unsere Zusammenarbeit zustande kam. Cal hatte auch mehr für Sex mit Partnern übrig als für Masturbation. Wenn ich ausgesehen hätte wie er, hätte ich auch weniger masturbiert. :)
HS: Trotz intensiver Recherche konnten wir Bible! nicht auftreiben. Unseres Wissens nach ist es Ihr einziger Film mit Hetero-Sexszenen. Georgina Spelvin war eine der Darstellerinnen. Möchten Sie uns etwas über den Film erzählen? Gilt er als verschollen?
WP: Wakefield Poole’s Bible war mein dritter Film. Er war ursprünglich als Hard-Core Film geplant, aber nach Deep Throat saß die Strafverfolgung allen im Nacken, und so modelte ich es in ein erotisches Fantasia à la Walt Disney um. Es ist ein wunderschöner Film, der in Kürze auf DVD erhältlich sein wird. Er wurde noch einmal überarbeitet und wird zeitgleich mit meinem Biopic Dirty Poole veröffentlicht. Den Gerüchten nach ist er mein verlorenes Meisterwerk. Das stimmt nur zur Hälfte. Denn er war nie weg. (Kleiner Scherz.)
HS: Welchen Ihrer Filme mögen Sie am liebsten? Welcher war der erfolg- oder einflussreichste?
WP: Mein Lieblingsfilm ist Bijou. Das Screw Magazine bezeichnete ihn als Meisterwerk, und er wurde als bester Sexfilm des Jahres 1972 ausgezeichnet. Und das von einem Hetero-Organ, das zeitweise als homophob verschrien war. Natürlich musste ich mir den Preis mit Deep Throat teilen, obwohl Al Goldstein, der Herausgeber, sagte, Bijou sei der bessere Film. Der einflussreichste Film war der wegweisende Boys In the Sand. Wenn ich den nicht gemacht hätte, wäre Deep Throat vielleicht nie entstanden. Mein Partner Marvin Shulman, unsere Presseagent Bob Ganshaw und ich haben den „Porno Chic“ erfunden. Unserer war der erste Pornofilm, der eine große Anzeige in der New York Times hatte. Wir waren auch die ersten, die Reviews in der Variety, der New York Post, After Dark und den meisten überregionalen Magazinen bekamen. In der ersten Woche waren wir unter den Top 50 Filmen der Woche in der Variety ($28,000). Wir waren auf Platz 26, nach X,Y&Zee mit Elizabeth Taylor. Der einzige Pornofilm, dem dieses Kunststück gelungen ist. Und das war ein Jahr vor der Premiere von Deep Throat im World Theater.
HS: Können Sie uns andere Filme empfehlen? Welche Filmer oder Künstler (auch abgesehen von Pornofilmern) finden Sie sich selber geistesverwandt, wen auf interessante Weise anders? Welche Art Film hassen Sie?
WP: Ich halte es mit Billy Wilder: „So etwas wie einen schlechten Film gibt es nicht. Dass überhaupt jemand einen Film fertig bekommt, ist ein Wunder.“ Alle Filme, die ich jemals gesehen habe, haben mich beeinflusst, wie soll ich da etwas herausgreifen. Zum guten Schluss, mein liebster Porno ist ein Film, dessen ich nie überdrüssig werde. Jedesmal, wenn ich ihn sehe, entdecke ich etwas anderes. Er hat keine Handlung und ist unaufwendig produziert. Dieser Film ist Closed Set von Joe Gage. Das ist sein Meisterwerk!
HS: Vielen Dank für das Interview Mr. Poole.
Fragen: Silvia Szymanski & Marco Siedelmann
Übersetzung: Bianca Sukrow & Eckhard Heck
Im März 2011 führte East Village Boys dieses Interview mit Wakefiled Poole