The Masseuse
Von Marco Siedelman // 28. Juni 2011 // Tagged: Porno // 1 Kommentar
Man hat ja allen Grund, den Niedergang des goldenen Pornozeitalters zu betrauern. Der Verlust kinematografischer Bilder durch den Siegeszug kostengünstiger und für jeden Laien zu bedienender Videotechnik, das immer größere Desinteresse des Publikums an erzählerischen Pornofilmen, die daraus resultierende Beliebigkeit heutiger Stangenware, die Katalogschönheiten, die einprägsame Charakterköpfe wie Ron Jeremy, Kay Parkes oder Harry Reems ersetzt haben. All das mag Anlass dafür geben, nicht mehr an den modernen Porno zu glauben. Es sollte in diesem Zusammenhang aber berücksichtigt werden, das die Produzenten erst Mitte der Achtigerjahre begannen, auch weibliche Zuschauer verstärkt als Zielpublikum ernst zu nehmen. Programmatisch für diesen Umschwung steht The Masseuse von Paul Thomas, der selbst als Darsteller ikonischen Status innehat und heute als einer der besten Regisseure der Branche gilt. Ohne sich großspurig aufzuschwingen, einen „frauenfreundlichen“ Pornoentwurf zu liefern, hält er sich beispielsweise sehr akkurat an die im Puzzy-Power-Manifest aufgestellten Regeln – mehr noch als es jeder einzelne der offiziellen Manifestfilme selbst vermag.
So wird beispielsweise viel Zeit darauf verwendet, die einfach gestrickte und geradlinige Geschichte, die auf jeden unnötigen Ballast und jeden noch so kleinen Subplot verzichtet, mit einem glaubwürdigen Knistern zu versehen. Erzählt wird uns vom schüchternen Jim (Randy Spears), der ein tristes Leben als schlecht bezahlter Bibliotheksangestellter fristet. In einem Massagesalon trifft er auf die unnahbare Schönheit Barbara (Hypathia Lee) – für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, für sie dagegen nur ein weiterer Kunde, mit dem es nicht zu privat werden darf. Eher aus Mitleid gibt sie seinen hartnäckigen wie naiv formulierten Avancen nach, auch und vor allem weil er ihr gesteht, noch nie mit einer Frau geschlafen zu haben. Die Masseuse legt Wert auf Abstand und macht Jim zu keinem Zeitpunkt Hoffnungen, seine Liebe eventuell zu erwidern. Doch Jim kriegt sie nicht aus dem Kopf…
Auch wenn der Film aussieht wie eine Episode von Reich & Schön, er gibt sich redlich Mühe, mehr als nur Sportfickerei in unbequemen Posen zu zeigen. Unsere beiden Hauptdarsteller bleiben die einzigen Personen, die es in diesem Streifen miteinander treiben und sie tun es so behutsam, dabei aber völlig unbeschämt, wie nur selten in einem Porno zu sehen. Die obligatorischen Nummern, die hier nur redundant wären, werden ersetzt durch ein langsames Herantasten an Jims ersten Geschlechtsverkehr: Dem Handjob folgt in der nächsten Sexszene ein Blowjob, anschließend zeigt der Film völlig unverkrampft ein in Pornos tabuisiertes Thema: Frühzeitige Ejakulation. Nach langem und lustvollem Petting, heißen Küssen und sehr schön gefilmtem Cunnilingus ist das auch nur zu verständlich. Jim versaut sich also sein erstes Mal wie ein Schuljunge. Erst in der fast zehnminütigen finalen Nummer kommt er zum Zug, der einzige (!) Geschlechtsverkehr im gesamten Film. Der ist dann so ungeheuer sexy und schön anzusehen, das er die kühle Stimmung aufheizt und sogar den schrecklichen Score vergessen lässt.
Bemerkenswert auch die Umkehrung der Rollenverteilung – ist man es auch von den goldenen Klassikern gewohnt, das auch der schönste Akt grob unterbrochen wird, nur um zur unvermeidlichen externen Ejakulation zu gelangen, so lässt sich hier beinahe von realistischer Darstellung reden. The Masseuse ist frei von jeder Aggression, bietet keine misogynen Unterwerfungsfantasien sondern im krassen Gegensatz dazu eine starke, selbstbestimmte Frau und stellt ihr einen verlegenen Kerl zur Seite, dessen Motivation weit über bloße Triebabfuhr hinausgeht. Und schließlich natürlich die Enttäuschung für Jim: Statt letztlich doch mit einer versöhnlichen Nummer zu enden, gönnt sich der Film die Freiheit, seinem männlichen Hauptdarsteller einen endgültigen Korb zu verpassen. Zum Schluss bleibt er allein zurück, von Sehnsucht verzehrt aufs Meer blickend. Die letzte Einstellung, die ihn dann doch mit einer anderen Frau beim romantischen Spaziergang zeigt, ist wahrscheinlich Utopie, ein unerfüllter Wunschtraum, nochmal eine so markerschütternde Liebe zu finden.
Als besonders herausragende Leistung muss der nicht umsonst als Klassiker geltende Film betrachtet werden, weil es sich streng genommen um möglichst effizient eingezimmerte Fließbandware handelt. Paul Thomas inszenierte im selben Produktionsjahr fast dreißig weitere Filme für die Vivid Entertainment Group, was einiges über die Produktionsumstände verrät – in Anbetracht des engen Rahmens, in dem er sich bewegen konnte, ist The Masseuse der wohl bestmögliche Film geworden der hier drin war. Die Mühen wurden in diesem Fall belohnt: Der Titel entwickelte sich schnell zu einem der erfolgreichsten in der Vivid-Geschichte, beide Hauptdarsteller sowie das Drehbuch wurden mit dem begehrten AVN-Award ausgezeichnet. 2004 drehte Paul Thomas ein Remake seines Films mit Superstar Jenna Jameson in der Titelrolle, doch das ist Stoff für eine andere Besprechung.
USA 1990 / R: Paul Thomas
Ein Kommentar zu "The Masseuse"
Eine wunderbare Besprechung, Marco.