Puzzy Power – Die Reihe zum Manifest
Von Marco Siedelman // 6. Juni 2011 // Tagged: featured, Porno, Puzzy Power, Skandinavien // Keine Kommentare
Power to the Pussy? Mehrfach hat Lars von Trier, dem nicht selten chauvinistische Tendenzen nachgesagt werden, in seinen Spielfilmen pornografische Darstellungen verwendet – so geschehen etwa im umjubelten Dogmafilm „Idioten“ und auch in der wunderschönen schwarzweißen Anfangssequenz des Cannes-Aufregers „Antichrist“. Kurz vor der Jahrtausendwende wollte er aber noch mehr und produzierte mit der von ihm gegründeten Produktionsfirma Zentropa eine kleine Reihe von Hardcorefilmen, die die scheinbar festgefahrenen Standards der Branche aushebeln sollten und einen alternativen Pornoentwurf für Frauen vorstellten. Ähnlich wie die Dogma-Bewegung, die ihrerseits allerdings einen wesentlich größeren Einfluss auf das Kino haben sollte als die Puzzy-Power-Filme auf die Hardcore-Industrie, liegt den Filmen ein theoretisches Manifest zugrunde, das einige Regeln für einen frauenfreundlichen (was für ein gruseliges Unwort, setzt es doch die übliche Haltung gegenüber Pornos voraus, nach der diese nur für Männer gedreht würden) und künstlerisch hochwertigen Pornofilm formuliert.
Zu den Artikeln der Reihe:
Constance, DK 1999, Regie: Knud Vesterskov [Besprechung folgt]
Pink Prison, DK 1999, Regie: Lisbeth Lynghøft
HotMen CoolBoyz, DK 2000, Regie: Knud Vesterskov
All About Anna, DK 2005, Regie: Jessica Nilsson
Den Anfang machten der gelackte Constance, der mit eingestreuter Lyrik und erlesenen Locations einen poetischen Charakter erreichen will, und der in den pink gestrichenen Gefängniskulissen aus „Dancer in the Dark“ spielenden Pink Prison. In beiden spielt die berühmte dänische Hardcore-Darstellerin Katja Kean die Hauptrolle. Letztgenannter, der auch ein wenig schwulen Softsex beinhaltet und von Frau Suk demnächst eine Besprechung erhält, enttäuscht durch eine spannungslose Journalisten-Story, die in ihren Grundzügen an die Emanuelle-Einsätze der siebziger Jahre erinnert. Wie prüde der internationale Umgang mit Pornografie immer noch sein kann, beweist der einzige Schwulenfilm der Reihe, HotMen Cool Boyz (2002), dessen Existenz von der Presse weitestgehend ignoriert wurde und dem sich Silvia widmen wird. Constance-Regisseur Knud Vesterkov, der bereits mit einer ganzen Reihe von Experimentalfilmen auf sich aufmerksam gemacht hatte, setzt auf freakige Hintergründe, die romantischen Kitsch evozieren, und verzichtet fast vollständig auf die geforderte Story. Überhaupt hält sich fast keiner der Filme an die selbst auferlegten Vorgaben; die schematischen Handlungsverläufe, die langweiligen Figuren und die mangelnde Selbstironie, all das kann ganz schön ungeil wirken. Erstaunlich, dass der relativ große Erfolg (starke Verkaufszahlen, internationale Beachtung bis hin zu AVN-Award-Nominierungen) von „Constance“ und „Pink Prison“ keine nennenswerten Konsequenzen nach sich gezogen hat, vielleicht weil die angepeilte Revolutionierung der Pornosprache schon im Ansatz viel zu zögerlich angegangen wurde und so gar keine Spuren hinterlassen konnte.
Das wohl letzte Wort in Sachen Puzzy Power wurde 2005 mit All About Anna gesprochen, der allerdings schon gar nicht mehr unter diesem Label firmiert. Jedenfalls lässt sich sagen, das dieser vierte und letzte Film zum Thema der Sache schon ein wenig näher kommt und so ziemlich alle Regeln des Manifests berücksichtigt – was an sich natürlich noch keinen Indikator für einen guten Film ausmacht. Meine Sichtung liegt schon länger zurück und hat micht nicht gerade in Begeisterungsstürme versetzt – Kollege Heck hat sich den Streifen aber vorgenommen und einige frische Eindrücke festgehalten. Das Fazit nehme ich schon mal ganz dreist hinweg, damit sich unsere Leser auf den Tenor der folgenden Texte einstimmen können: Die Herren und Damen Hardheads waren enttäuscht angesichts der Beliebigkeit der Filme, die fast jedes Risiko scheuen und nicht weit entfernt sind von beliebiger Stangenware. Leider. Von Trier, der Stänkerer, der Amerika-Hasser, der Kino-Visionär, der passionierte größenwahnsinige Dummschwätzer. Hätte er doch nur selbst einen Film aus der Reihe inszeniert, wie aufregend alleine der Gedanke. Sich mit eben diesem zu begnügen, reicht an dieser Stelle nicht: Wir rümpfen jedenfalls empört und gelangweilt die Nase, wenden uns wieder dem güldenen Zeitalter des Pornofilms zu. Früher war eben doch manches besser.