Red White & Blue
Von Alex Klotz // 27. Mai 2011 // Tagged: Thriller // Keine Kommentare
Erica verbringt ihr Leben nach der Maxime „never sleep with the same guy twice“ nachts in verschiedenen Betten, auch schon mal mit einer kompletten Rockband. Die Avancen ihres Nachbarn, dem introvertierten Irak-Veteran Nate, wehrt sie jedoch ab, auch wenn dieser ihr immer wieder hilft, sei es bei Ärger mit der Vermieterin oder der Suche nach einem neuem Job. Franki, Bassist und Sänger der bereits erwähnten Metalband, erlebt derweil Höhen und Tiefen gleichzeitig: Zwar wurde seine Band für eine Europa-Tournee gebucht, aber seiner schwerkranken Mutter, der er regelmäßig Blut spendet, geht es immer schlechter…
Ziemlich knifflig, die Handlung des Films zusammenzufassen: Entweder bleibt man vage wie ich, was dann eventuell etwas uninteressant klingen mag, oder man verrät zu viel. Die Spoiler-Diskussion ist ja eine nicht enden wollende Angelegenheit und ich sehe mich da ein wenig zwischen den Stühlen: Einerseits war ich selbst froh, nicht viel über den Handlungsverlauf zu wissen, dessen Zusammenhänge lange rätselhaft bleiben und sich erst nach ca. 50 Minuten dramatisch zuspitzen, andererseits kann ich auch diejenigen verstehen, die sagen: Wenn ihr nichts über den Film wissen wollt, dann lest verdammt noch mal auch keine Kritiken. Ich habe mich jetzt dafür entschieden, dem geneigten Leser ein ähnliches Sichtungserlebnis wie meines zu ermöglichen, auf die Gefahr hin, um den heißen Brei herumzureden. Regisseur Rumley hatte bereits mit THE LIVING AND THE DEAD ein intensives Drama vorgelegt, das an die Nieren ging – war dieses noch in der britischen Upper Class verankert, vertreten die Figuren hier eher niedrigere Gesellschaftschichten in Austin, Texas. Und die Figuren sind es auch, die diesen Film zum funktionieren bringen: Erica, Nate und Franki sind grundsätzlich liebenswerte Menschen, doch alle haben in ihrem Leben ein einschneidendes Erlebnis, einen „Knacks“ erfahren, der es ihnen unmöglich macht, am normalen Dasein des Standardbürgers teilzunehmen. Woraus diese Divergenzen bestehen, blättert die Erzählung nur langsam, nach und nach auf. In entscheidenden Momenten handeln sie alle emotional, und das führt schlußendlich zur Katastrophe.
Ja, RED WHITE & BLUE ist auch ein Rachefilm der derben Art, und die entsprechenden Sequenzen, die nicht auf Splattereffekte setzen, sondern auf die Evokation unangenehmer Gefühle, sind in dieser Funktion vollkommen gelungen. Zudem schwingt ständig der Gedanke mit, daß die handelnden Figuren all das eigentlich gar nicht verdient, sondern nur für einen kurzen Moment spontan die falsche Entscheidung getroffen haben. Wobei mir jetzt gerade der Schlußsatz von Kafkas „Ein Landarzt“ einfällt: „Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt – es ist niemals gutzumachen.“
RED WHITE & BLUE ist ein unbedingt sehenswerter Nierentreter, der möglicherweise wegen seiner extremen Ungemütlichkeit hierzulande keinen Kinostart bekam, aber jetzt wenigstens via Störkanal als DVD vorliegt.
USA 2010, Regie: Simon Rumley
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Red, White & Blue