„Die Fratze“ im einäugigen Betrachter
Von Eckhard Heck // 19. März 2011 // Tagged: Britisches Kino, Thriller // 1 Kommentar
Manchmal beschert einem das TV unverhofft ein wundersames Stück Film. Gestern, zum Beispiel. Schon die ersten zwei Minuten von „Die Fratze“ (Fright, GB 1971) machen neugierig und determinieren das Genre. Eine Landstrasse. Abends. Ein Linienbus fährt vor und hält an. Als er wieder anfährt, steht auf der gegenüberliegenden Strassenseite eine junge Frau. Sie überquert die Strasse. Die Kamera zieht auf und man sieht ein verwittertes Tor, auf welches die Frau zugeht. Nebel liegt über der Szene. Viel Nebel.
Amanda (Susan George) ist von der Familie Lloyd für diesen Abend als Kindermädchen für den kleinen Tara engagiert worden. Schnell stellt sich heraus, warum die Lloyds an diesem Abend, an dem sie eigentlich Helen Lloyds Scheidung von ihrem psychopathischen Ex-Mann Brian feiern wollen, so neurotisch sind. Helen (Honor Blackman) leidet – keineswegs unbegründet, wie sich bald herausstellen wird – unter der Vorstellung, dass Brian sich an ihr rächen will. Dennoch machen sich die Lloyds schliesslich auf den Weg zu einem Tanzlokal. Vorsichtshalber hinterlässt man die Telefonnummer des Clubs.
Jetzt, wo wir mit der hübschen Amanda alleine sind und der Kleine im Bett ist, kommen die besten Szenen des Films. Abgesehen von der suggestiven Kameraführung, die den Eindruck erweckt, als sei das Böse mal vor dem Küchenfenster, mal bereits im Hausflur und dann wieder auf der ersten Etage der Lloyd’schen Villa zu verorten und die schnell so unspannend wird wie Tofu, gibt es einige grandiose Einstellungen mit der phänomenalen Susan George. Vor allem die teilweise abenteuerliche Lichtsetzung ist sehenswert. Sehr vorhersehbar wird die Handlung, wenn im Folgenden nacheinander der Verehrer Susans (Dennis Waterman als Chris) und der psychotische Brian (Ian Bannen) die Szene betreten. Übrigens mit niederschmetternden Folgen für Chris. Der durfte immerhin vorher Amanda entblättern, was zum ersten und vorerst erwähnenswertesten Exploitation-Höhepunkt des Streifens führte.
On with the show. Brian konnte Susan gegenüber zwar seine wahre Identität verheimlichen (in der Rückschau geradezu niedlich, welche Verrenkungen das Buch macht, um genau das zu erreichen), outet sich dann aber doch recht schnell als komplett durchgeknallt. Susan kann gerade noch zu spät ein Telefonat an die Lloyds absetzen, um sich in höchste Gefahr zu begeben. Diese sind nun in heller Aufregung und brechen sofort auf, um gerade noch zu spät einzutreffen um zu verhindern, dass Brian nun wirklich lästig wird. Einige subalterne Charaktere (diverse Polizisten und Brians Arzt) bevölkern ebenfalls die Szene, ohne weiter für die Handlung wichtig zu sein.
Am Ende gibt es dann noch einen Twist, in dem Amanda zum Rachengel in eigener Sache wird und Vergeltung für die erlittene Schmach – erschreckt werden, sexuell genötigt werden, allgemein nicht ernst genommen werden – übt. Diese Wendung steht auf solch tönernen Füssen, dass sich der Regisseur genötigt sieht sie dem Betrachter noch einmal in Form einer kurzen Rückschau zu verdeutlichen. Da bekommt man doch ein bisschen Mitleid (mit dem Film).
Peter Collinson, der 1969 „The Italian Job“ gemacht hat, beackert mit „Fright“ einen gänzlich anderen Teil des cineastischen Spektrums. Der Film wird hier und da als Initialwerk des „Babysitter trifft auf Psychopathen“ Horror-Sub-Genres gepriesen. Ob das die Intention von Collinson war, oder ob ihn lediglich die Produktionsumstände und der allgemeine Niedergang des britischen Films (den Paul und ich nicht wahrhaben wollen) in die Arme des Bahnhofskinos getrieben haben, wage ich nicht zu beurteilen. Als Genrebeitrag ist der Film sehr sehenswert und es würde mich sehr wundern, wenn Herr Klotz ihn nicht an anderer Stelle schon wesentlich kompetenter, begeisterter und ausführlicher besprochen hätte.
Fright, GB 1971, Regie: Peter Collinson
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Ein Kommentar zu "„Die Fratze“ im einäugigen Betrachter"
Gesehen und für gut befunden habe ich den Film auch, besprochen allerdings noch nirgends. Kann mich ansonsten nur anschließen und empfehle für further viewing die ebenfalls zu dieser Zeit auf der Insel entstandenen, etwas ruppigeren Thriller von Pete Walker wie FRIGHTMARE, HOUSE OF WHIPCORD oder mein Favorit HOUSE OF MORTAL SIN.