Superman II – Allein gegen alle
Von Marco Siedelman // 3. Februar 2011 // Tagged: Comicverfilmung, Superhelden // Keine Kommentare
„Superman – The Movie“ war schon zu Anfang ein gigantomanisches Großprojekt – Richard Donner bekam ein 500-seitiges Skript serviert, welches sorgfältig überarbeitet in zwei Drehbücher geteilt wurde. Als Back-to-Back-Dreh geplant, entstanden große Teile des zweiten Films gleichzeitig mit dem ersten, was vor allem ökonomische Gründe hatte. So wurden beispielsweise alle Szenen im Gebäude des Daily Planet hintereinander gefilmt, doch enormer Zeitdruck erschwerte die Dreharbeiten erheblich. Schließlich wurden die fertigen Sequenzen für den Nachfolger nach einiger Zeit auf Eis gelegt um die Konzentration auf einen Film zu ermöglichen – leider gingen die Vorstellungen von Donner und den Produzenten Ilya und Alexander Salkind weit auseinander, sodass der Regisseur trotz des großen kommerziellen Erfolges das Projekt verlassen musste. Der Brite Richard Lester bekam den etwas undankbaren Auftrag, den zweiten Teil zu vollenden und wenngleich er seine Sache außerordentlich gut gemacht hat, so wird doch eins deutlich: Donners und Lesters Visionen passen kaum zueinander, kollidieren sichtbar und genau an dieser Unvereinbarkeit krankt der zweite Teil der Helden-Saga.
Die biblische Metaphorik setzt sich auch im zweiten Teil fort, was deutlich ersichtlich ist an der Rolle des General Zod, gespielt von Charakterdarsteller Terence Stamp, der im Krypton-Prolog des ersten Films bereits eingeführt wurde und dem nun eine tragende Rolle zugedacht wird. Seine Figur trägt unübersehbare Bezüge zu Luzifer, dem von Gott verstoßenen Lichtbringer. Wie der biblische Charakter ist Zod stolz und hochmütig und will sich nicht mit seiner Position zufrieden geben, weshalb er verschwörerisch aufbegehrt gegen die oberste Macht, in diesem Fall den Rat der Weisen von Krypton. Wie Luzifer wird Zod nicht getötet (auf Krypton wurde die Todesstrafe nicht angewandt) sondern in alle Ewigkeit des Reiches verwiesen und mit seinen beiden Mitverschwörern verbannt – gefangen in einer Phantomzone, dazu verdammt, hilflos in alle Ewigkeit durch die Weiten des Weltalls zu schweben. Durch einen Zufall zu Beginn des zweiten Superman-Films werden die drei Abtrünnigen befreit und reisen zur Erde um dort in Selbstherrlichkeit zu regieren, sich die Menschheit zum Untertan zu machen und später Rache zu nehmen an Jor-Els einzigem Sohn, dem Pulp-Jesus Superman. General Zod ist damit einer der schillerndsten Gegenspieler des Stählernen und überschattet sein zweiköpfiges Gefolge deutlich: und das obwohl Sarah Douglas eine diabolische Vorstellung gibt als Ursa, Jack O’Halloran einen köstlichen Dummkopf abgibt als grobschlächtig-tumber Non und alle drei die gleichen Fähigkeiten wie Superman besitzen. Zod ist als Führerfigur allerdings der klar prägnanteste Charakter des Dreiergespanns erlangte nicht zuletzt durch „Superman II“ einen hohen Bekanntheitsgrad.
Während vor allem in der Liebesgeschichte zwischen Lois und Superman sowie in der ironiefreien Darstellung Zods noch klar erkennbar Donners seriöser Umgang mit der Mythologie der Geschichte mitschwingt, macht der gesteigerte humoristische Aspekt Lesters Sicht auf den Film deutlich: Der neue Regisseur ist eher an einer Demontage des Helden interessiert – kein schlechter Ansatz, nur leider unvereinbar mit der ernsten Herangehensweise des vorigen Regisseurs. Erst in „Superman III“, der von Lester vollständig inszeniert wurde, kann sich das Potential dieser Idee ausreichend entfalten, weshalb dieser auch entschlossener und einheitlicher ist als Teil 2 der Reihe.
Die romantische Beziehung zwischen Superman und Lois Lane wird nicht nur vertieft, der Film fördert ganz neue Ebenen zutage: Die Enttarnung der geheimen Identität des Helden durch Lois wurde von Comic-Fans als Sakrileg aufgefasst und stieß auf wenig Gegenliebe. Zum Ende wird diese vorher so konsequent verfolgte Linie widerrufen, was letztlich sehr schade ist. Damit dreht sich die Beziehung zwischen beiden letztlich wieder im Kreis, was aber auch ein Standard für die Geschichten ist und eventuell der zu frühen Einbringung dieses Aspektes geschuldet ist. Nicht ohne Grund wird von Skeptikern seit Anbeginn der Superman-Ära die Simpliziät seiner Tarnung kritisiert: Durch eine Brille und einen gewöhnlichen Anzug wird Superman zu Clark Kent und wird von niemandem erkannt – was vielleicht nachlässig und unglaubwürdig wirken kann, birgt im Kern eine tiefere Aussage über das, was in einem Menschen stecken kann ohne entdeckt zu werden. Aufgrund Kents unbeholfener und leicht tollpatschiger Wesensart würde niemand auch nur auf die Idee kommen, das sich in diesem unwichtigen Kollegen ein Held verbergen könnte. Es geht also vielmehr darum, das keiner erkennen will das es sich um Superman handelt, als das es unmöglich wäre. Das Lois Lane in ihrer wachen und klugen Art hinter die Maskerade kommt, ist aber nur logisch und sollte nicht als Verrat an der Vorlage gewertet werden. Auch in den Comics wurde diese Endlosschleife irgendwann als unergiebig erkannt und so kam es später sogar zur Hochzeit zwischen den beiden Hauptfiguren.
Lex Luthor tritt zugunsten der Love-Story und der Fokussierung auf die neuen Gegenspieler sehr in den Hintergrund, Hackman tritt aber dermaßen spielfreudig auf, das sein Charakter nie in der Versenkung zu verschwinden droht. Schon im ersten Teil definierte er Luthor neu, verlieh ihm sowohl unwiderstehliches Charisma als auch überzogene Selbstherrlichkeit, sodass die Anbiederung an die Kryptonier glaubwürdig erscheint und zusätzlich sehr amüsiert. Hackmans Luthor ist nicht der verrückte Wissenschaftler aus den Comics, eher ein gewissenloser, berechnender Geschäftsmann, der die beginnenden 80er Jahre und damit die Reagan-Ära bereits in ihrem aufkeimenden Stadium vortrefflich karikiert. Neben ist „Superman II“ einer der ersten Filme, in denen Product Placement umfassend zum Einsatz kommt – gleich in mehreren Szenen rücken die Werbeträger sehr offensichtlich ins Bild und werden in die Actionszenen direkt integriert, sei es ein gigantisches Coca-Cola Leuchtschild, in das einer der Gegner Supermans geschleudert wird oder ein Lastwagen mit auffälligem Marlboro-Aufdruck, der auf sehr ähnliche Weise ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt wird. Auch die Tatsache Lois Lane im Gegensatz zur Vorlage zur Raucherin zu machen, ist reines Marketing, wenn auch subtiler und schon im Vorgänger angewandt.
Für die revolutionären visuellen Effekte erhielt „Superman – The Movie“ einen Sonderoscar – leider verhebt man sich in der Fortsetzung am allgemeinen Überbietungsprinzip. War es zuvor noch von magischer Ausdrucksstärke, einen Mann fliegen zu lassen, so versucht man hier einen Großteil der Auseinandersetzungen in der Luft zu platzieren. Der Schritt ist logisch, bedenkt man die Fähigkeiten von Supermans Gegnern, dennoch machen die betreffenden Szenen einen steifen und auch unbeholfenen Eindruck. Aufgelockert wird dieses Manko aber vom Slapstick-Gehalt, an dem Richard Lester offensichtlich großen Spaß fand – da sich der Film nicht so ernst nimmt, übersieht man gerne den ein oder anderen Fauxpas. Angesichts des hohen Unterhaltungswertes fällt nicht einmal die Uneinheitlichkeit extrem ins Gewicht. Dafür ist Lesters Talent einfach zu groß, selbst in dieser Aushilfsarbeit schimmert sein virtuoser Stil und sein Gespür für komische Momente unverkennbar durch und drückt dem Film mehr seinen als Donners Stempel auf. Da auch „Superman II“ ein großer Erfolg an den Kinokassen wurde konnte die nächste Fortsetzung dann Lesters Vision unverschnitten zeigen, sodass vorliegender Film ein Übergangswerk darstellt, einen Brückenfilm zwischen zwei Stühlen. Das es sich dennoch um einen überdurchschnittliches und rasantes Event-Movie handelt zeigt, wie groß doch das Potential der Geschichte um Superman ist.
Aus Kostengründen wurde auf auf wichtige Details verzichtet, so zum Beispiel Marlon Brando in der Rolle als Supermans Vater. War er im ersten Teil der Mentor klärte seinen Sohn über dessen Bestimmung und Ursprung auf, so tritt an diese Stelle nun die Mutter des Stählernen. Kurioserweise macht diese Notlösung auch dramaturgisch Sinn, da die Fragen zur Identität geklärt sind und es nun Gefühlsentscheidungen sind, die Superman fällen muss. Das nicht der nüchterne und rationale Jor-El zu Rate gezogen wird wenn es um die Frage geht, ob die Kräfte zugunsten der Liebe zu Lois Lane geopfert werden sollten sondern die warmherzige Mutter – überraschenderweise ergibt sich so ein umfassenderes Gesamtbild als vorher. Erschwerend allerdings wirkt sich das Fehlen des Komponisten John Williams aus, von dem lediglich bereits komponierte Stücke verwendet werden und so musikalisch keine Überraschungen zu erwarten sind. Ein schmerzlicher Verlust, hatte der bemerkenswerte Score doch entscheidenden Anteil an der kreierten Atmosphäre des Erstlings. Christopher Reeve dagegen ist eine Bank und vertieft seine Figur mit einfühlsamer Darstellung, auch die Chemie zwischen ihm und Margot Kidder hat an Glaubwürdigkeit gewonnen. Deutlich wird dies beispielsweise nach ihrer umstrittenen Liebesnacht in der Festung der Einsamkeit oder vorher in Lois Lanes verzweifelten Versuchen, Clark Kent das Geheimnis um Superman zu entlocken. Hier sei nur die köstliche Szene an den Niagarafällen genannt.
Trotz der sichtbaren Zerrissenheit, unter der der Film zu leiden hat, kann „Superman II“ immer noch überzeugen. Das liegt nicht zuletzt an den großartigen Darstellern, dem hervorragenden Produktionsdesign und den abwechslungsreichen Kulissen. Aufgrund der einschneidenden Änderungen von Regisseur Richard Lester geht die bedrohliche Aura der Schurken zwar fast gänzlich über Bord, dafür entschädigt aber der treffsichere Humor des Briten.
Superman II / GB 1980 / Regie: Richard Donner, Richard Lester