Rebel Yell – die Medien des Iran und der Verschleiß des Wortes Alternative

Von  //  12. Juli 2014  //   //  Keine Kommentare

Aber bei dem Kampf eines autoritären Charakters gegen die Autorität handelt es sich im wesentlichen um Trotz. Es handelt sich um den Versuch, sich durchzusetzen und das Gefühl der Ohnmacht zu überwinden. Ein autoritärer Charakter ist niemals ein „Revolutionär“, lieber würde ich ihn einen „Rebellen“ nennen.   –  Erich Fromm

Seit der konstitutionellen Revolution im Jahr 1905 spielen die Medien auch im Iran eine entscheidende Rolle. Während des kalten Krieges rüstete die Regierung Pahlavi mit dem National Iranian Radio and Television, kurz NIRT, nach und bot dem iranischen Publikum ein Sendersystem an, was wir hierzulande von den Öffentlich-Rechtlichen her kennen. Nach der Revolution im Jahre 1979 reformierte das neue Regime die NIRT zur IRIB, dem Islamic Republic of Iran Broadcasting. Nach Paragraph 175 der islamischen Verfassung ist es Privatsendern untersagt in Konkurrenz mit der IRIB zu treten. Die IRIB wiederum darf nur Sendeformate und -inhalte präsentieren die nicht gegen die nationalen Interessen des Staates Iran oder der islamischen Gesetze im Allgemeinen verstoßen. Die Verfassung regelt weiterhin, dass die Medien dem Revolutionsführer unterstellt und von einem Komitee regelmäßig überwacht werden. Der Direktor dieses Komitees wird für 5 Jahre gewählt. Der erste Direktor war der Außenminister Sadegh Ghotbzadeh.

Sadegh_Ghotbzadeh

Diese Gesetze führten zu einem allgemeinen Misstrauen gegenüber der staatlichen Mediengewalt. Die Journalisten Annabelle Sreberny und Gholam Khiabany wiesen nach, dass spätestens zu den Wahlen im Jahr im 2000 ein Großteil der Öffentlichkeit nach alternativen Medien Ausschau hielt. Mittlerweile gibt es mehr als 30 private Hinterzimmersender, die die öffentlich ausgestrahlte Meinung scharf angreifen. Doch die öffentlich-rechtlichen Anstalten des Iran reagierten schnell. Geschätzte 25 Millionen Dollar wurden investiert um neue Sendeanstalten aus dem Boden zu stampfen. Jeder dieser Sender erreicht ein anderes Zielpublikum. Al Kawthar TV spricht die arabischen Minderheiten an. Al-Alam richtete sich zunächst nur an Irakis, bietet aber seit 2006 ein englischsprachiges Programm an und gibt sich als unabhängiges Nachrichtenportal. So schickte man embedded journalists in den zweiten Libanon Krieg und nach Gaza während der Operation Gegossenes Blei. Nach Ende des Libanonkrieges unterstützte der Iran das Hisbollah-Regime mit 150 Millionen Dollar und versorgte die Kriegsversehrten mit Geldgeschenken und dem markigen Spruch: „Der zionistische Feind zerstört. Die islamische Republik Iran baut auf.

Dann haben wir noch Press TV. Press TV, komplett englischsprachig, wollte eigentlich in Konkurrenz mit BBC und CNN treten, bleibt in seiner Reputation aber deutlich hinter Russia Today und Al Jazeera zurück.  Das Programm besteht aus endlosen Diskussionsrunden zum Thema Nahe Ost Politik und Dokumentationen, die die Friedfertigkeit des Iran belegen sollen.  Frauen tragen dort Make-Up und dürfen mit Männern auf Augenhöhe sprechen. Selbstverständlich ist das alles im Hauptsender IRIB verboten.

Dabei wollte Ruhollah Chomeini die Schia transformieren. Es gelang ihm ja auch das Stück eine Religion, die die Abkehr von Macht und Politik predigt, zur Staatsräson zur erklären. Im Jahr 1963 schloss er sich der Weißen Revolution an, tat aber alles um die Emanzipation der Frauen einzudämmen, denn es waren die Frauen, die die Ländereien des Geistlichen verkleinern wollten.

nuclearwomen

Tatsächlich ist der Iran traditionell nicht allein durch den konfessionellen Unterschied zur Mehrheit der Araber gekennzeichnet, sondern setzt auch offensiv auf national-ethnische Abgrenzung gegen die arabischen Nachbarn. Reza Khan Pahlevi bekämpfte den Einfluss des Klerus und setzte auf die Ideologie der rassischen Überlegenheit. Deshalb erfolgte 1935 auch die offizielle Umbennung Persiens in Iran, also „Land der Arier“. Sein Sohn Mohammad Reza Pahlevi rehabilitierte den Klerus und betätigte sich als oberster Hüter der Schiiten mit Verfassungsauftrag. Der Klerus setzte ihn dann ab und zwang ihn ins ägyptische Exil -wo er verstarb.

Das iranische Nuklearprogramm geht übrigens auch auf Mohammad Reza Pahlevi zurück. 1957 unterzeichneten Tehran und Washington ein Abkommen, dass im Rahmen des amerikanischen „Atoms for Peace“ Programms eingebettet war. 1973 erstellte das Stanford Research Institute eine Studie,derzufolge der Iran bis spätestens 1994 20,000 Megawatt Strom produzieren muss, damit die Wirtschaft des Landes nicht zusammenbricht.

iran tv

Das iranische Fernsehen vermittelt keine Bilder einer anderen, uns fremden Lebensweise, sondern eher Launen deselben Lebens, die mehr als Affirmation denn als Negation der herrschenden westlichen Ordnung dienen sollen. Wer in den „alternativen“ Nachrichtenformaten ein Moment der Kritik oder gar des Widerstandes sieht, der müsste sich damit befassen, wie und unter welchen Bedingungen eine solche Wirkung gegen die grundlegend anti-ästethische Form dieses Mediums beschaffen sein könnte. Die Aufmerksamkeit erzeugenden Skandale ersetzen Reflexion, beobachtbar am Anblick phlegmatischer „Truther“. Der häusliche Alternativmedienkonsum ist die aktuelle Schauform einer Gesellschaft, deren depressive, erschöpfte oder angstgestörte Mitglieder auf einen Zustand kompletter Gesellschafts- und Öffentlichkeitsunfähigkeit zusteuern. So gelingt das Kunststück die Außenpolitik der USA zu verteufeln und gleichzeitig Ayn Rands formhässlichen Objektivismus zu „leben“. Dass in den aktuellen Debatten die durchgewichste Fernsehcoach der Ort des Nachdenkens sein soll, gibt vor allem Auskunft über den armseeligen Zustand des Nachdenkens.

Bereits vor fast 50 Jahren erschien vom ehemaligen CIA-Agent Miles Copeland ein Buch mit dem Namen „The Game of Nations„. Darin berichtet er über die Bestrebungen der Amerikaner den postkolonialen Nahen Osten zu demokratisieren:“Politicians in Syria, Lebanon, Iraq and Egypt seem to have been elected into power, but what elections! The winners were all candidates of foreign powers, old land-owners who tell their tenants and villagers how to vote, or rich crooks who can buy their votes. But peoples of these countries are intelligent, and they have a natural bent for politics. If there is a part of the world which is crying for the democratic process the Arab World is it.

milescopeland

In Syrien sorgte man dafür, dass Husni az-Za’im an die Macht kam. Sein Programm war ehrgeizig: Eindämmung der Korruption, Gleichberechtigung von Mann und Frau, ein Waffenstillstandsabkommen mit Israel und die Planung einer transarabischen Öl-Pipeline. Washington war zufrieden. Arabische Nationalisten und muslimische Religionsführer nicht. Ein Kollege von Copeland mit Namen Deane Hinton traute Za´im nicht über den Weg:“I want to go on record as saying that this is the stupidest, most irresponsible action a diplomatic mission like ours could get itself involved in, and that we’ve started a series of these things that will never end.“ Für die Aussage durfte er seinen Hut nehmen. Unnötig zu erwähnen, dass Deane Hinton recht hatte. Za´im verwandelte sich innerhalb von Wochen in einen Tyrannen, der seiner eigenen Bevölkerung so sehr auf die Nerven fiel, dass seine Herrschaft mit seiner Hinrichtung endete. Die erste Hälfte der 1950er war geprägt durch wechselnde Militärputsche. 1954 wurde das parlamentarische System wieder hergestellt – allerdings hatten die meisten Einwohner eine solche Angst vor den USA, dass sie bei der Sowjetunion Schutz suchten. 1957 wollte der BBC Reporter Woodrow Wyatt in einer Dokumentation beweisen, dass Syrien ein kommunistischer Satelitenstaat ist. Doch seine Interviewpartner machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Wiederholt bekam er als Antwort, dass nicht Kapitalismus das Problem ist, sondern die Vereinigten Staaten. Die Amerikaner versuchten erneut ihr Glück mit der Operation Wappen. Sie setzten dafür den Agenten Howard „Rocky“ Stone ein. Die Syrier hatten Angst vor Rocky, weil er seine Gegenüber immer so anstarrte. Das tat er, weil Rocky die Lippen seines Gegenübers lesen musste, denn er war fast taub.

bbc1957

Der Hang zur defätistischen Koketterie ist ausschließlich die Kehrseite der Überbetonung des Menschlichen. Das Game geht weiter, gleich wie viele auf der Strecke bleiben. Zur Schattenseite des nachbürgerlichen Subjekts, das jeden Blödsinn mitzumachen und anzuerkennen hat, zählen aller Pseudoaufklärung zum Trotz ungezügelter Hass und Zerstörungsdrang. Als cooler Aktivist auf der Höhe der Zeit, dem Lesen oder Wäsche waschen zu proletarisch oder neudeutsch zu sexistisch ist, der „investigativ“ schreibt, weil „belanglos“ zu belanglos klingt, und dessen Geschäft es ist, tagespolitischen Betrieb als Skandal umzudeuten, muss man das Bekenntnis zum super finden falschen Trostes eben „alternativ“ aufmotzen.

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