Dirty Laundry / Truth in Journalism

Von  //  13. Dezember 2013  //  Tagged:  //  1 Kommentar

Wer vergessen sein will, errichte sich eine Homepage. Die am wenigsten bekannten Filme ruhen nicht in Archiven, sondern auf Youtube. Ausgerechnet dort sucht Adi Shankar sein Glück und findet es. Die Vorschusslorbeeren von „Dredd“ nutzt der junge Produzent um dem allzu weichgespülten Marvel-Universum wieder etwas Leben einzuhauchen.

„Dirty Laundry“ und „Truth in Journalism“ befreien den Comic-Film nicht nur von kitschigen Kamerafahrten, unnötigen Liebesgeschichten und allzu peinlich vergriffener Musik. Nein, endlich muss man auch nicht mehr 150 Minuten im Kinosessel ausharren, damit ja noch etwas Tiefe in die Oberfläche hineingegähnt werden kann.

Beide Streifen benötigen unter 20 Minuten. „Dirty Laundry“ bedient sich dabei der Figur des Punisher. „Truth in Journalism“ lässt endlich mal Venom zu Wort und Tat kommen.

„Dirty Laundry“ funktioniert durch seine Schlichtheit. Der Punisher (Thomas Jane) geht in einen Waschsalon und beobachtet dabei eine Vergewaltigung. Kurz darauf wird ein kleiner Junge Zeuge der Szene. Während der Vergewaltiger und seine Gang den Jungen verprügeln, kehrt der Namenlose in einem Kiosk gegenüber ein. Der Kioskbesitzer und er wechseln ein paar Worte über Selbstjustiz. Der Punisher kauft eine Flasche Jack Daniels und geht damit auf die Gang los. Nach dem Kampf liegt der Vergewaltiger blutend auf dem Boden, seine Gang ist tot. Der Punisher schüttet den Inhalt der Flasche über ihm aus, fragt: „Justice or Punishment?“ und legt ein Feuerzeug vor ihm ab. Die vergewaltigte Frau hebt das Feuerzeug auf und zündet ihren Peiniger an. Der Namenlose gibt dem Kind sein Shirt, steigt in sein Auto und fährt weg.

Die Logik des Ghettos, Menschen überflüssig zu machen, wird vom Punisher voll und ganz akzeptiert. Er kann auch gerne der Überflüssige sein, nur die Anderen sollen sich benehmen. Wenn sie es nicht tun, löscht er ihr Leben aus und sein eigenes bekommt einen, wenn auch barbarischen Sinn. In diesem gesellschaftlichen Gefüge verkehrt sich der Amoklauf von einer bedauerlichen Einzeltat zum gesellschaftlichen Allgemeingut. Was als Anzahlung auf ein zukünftiges Inferno fungiert und vom Zuschauer noch missmutig betrachtet wird, das akzeptierte der Punisher schon vor langer Zeit als sein Schicksal.

Für einen Journalisten ist die Arbeit oftmals der Lebensinhalt. Die Arbeit dient der materiellen und geistig-kulturellen Bedürfnisse des einzelnen, seiner Familie, und auch der nicht nur, noch nicht, oder nicht mehr arbeitsfähigen Mitglieder der Gesellschaft. Gut Spaß bei Seite. Ab einem gewissen Zeitpunkt im Leben entscheidet sich bei jemandem mit einem gewissen Potential an krimineller Energie ob er dieser Energie einfach freien Lauf lässt oder ob er sie nicht sublimiert und beispielsweise investigativer Journalist wird. Einer dieser Journalisten ist Eddie Brock (Ryan Kwanten).  Eddie bekommt Besuch von einem franko-kanadischem Kamera-Team, dass für die Abschlussarbeit einen echten Journalisten über die Schulter schaut. Dass Eddie Dienstausweise und andere Papiere fälscht, empfinden sie noch als sympathisch. Als er aber einen Raubüberfall so lange abwartet, bis der Täter das Opfer absticht, wird Ihnen nicht nur schlecht, sondern sie bekommen auch Angst vor Eddie. In einem Bargespräch fragen sie ihn aus. Eddie gesteht, dass er eigentlich selbst Menschen umbringen müsste um seine Rechnungen bezahlen zu können. Das Kamerateam beschließt die Dreharbeiten einzustellen. Jedoch lädt Eddie die Beiden zu einem Abschluss-Drink zu sich nach Hause ein. Er führt sie in ein Zimmer, das mit Zeitungsausschnitten tapeziert ist, verwandelt sich in Venom und besorgt sich die materielle Basis für das Bezahlen der Stromrechnung.

In einem Interview erklärte Adi Shankar, dass er die Idee für „Truth in Journalism“ bereits vor 5 Jahren hatte: „You take ´Man Bites Dog´ and mash it up with a well-known anti-hero.  It’s a concept where you take a character that’s inherently over the top and you drop him in an overly realistic grounded reality and have everyone around him scratching their heads as to why this individual is behaving like a cartoon character.“  Jedoch kann dieser Kurzstreifen mehr. Brocks Doppelrolle als Verschuldeter auf der einen Seite und „Bildungs“-Produzent auf der anderen Seite verdeutlicht (wahrscheinlich ungewollt) gut die Konkurrenz als solche. Jeden Tag aufs Neue muss er ins Unglück rennen in der Hoffnung andere im nur größtmöglichen Unglück anzutreffen. Die Furcht ausgeschlossen, gefeuert oder überschuldet zu werden, treibt ihn an, nach unten zu treten und sich keinerlei Mitgefühl zu gestatten. Die von Eddie Brock nur auf die Spitze getriebene, vom Kapital verursachte Kälte, die Bedingung wie Produkt repressiver Vergleichung ist, und die gerade im Journalismus praktisch vorausgesetzt wird, hat ihr Telos in der Vernichtung all derer, die der eigenen Verwertung im Wege stehen. Venom wirkt da nur als Brandbeschleuniger.

Sowohl in „Dirty Laundry“ als auch in „Truth in Journalism“ reproduziert sich die Spaltung des Bürgers in Bourgeois und Citoyen. Weil der Bürger (Spiderman) weitgehend Geschichte ist, ist es aber auch die Einheit der sich widersprechenden Bestimmungen des Kapitalsubjekts. Der Widerspruch wird nicht zur Versöhnung gebracht, sondern kalt gestellt (Punisher, Venom). In dieser falschen Welt sagen uns allegorische Fallbeispiele mehr als die eigene Sprachlosigkeit oder die derer, die ganz offensichtlich unter die Räder der Verhältnisse gekommen sind.

Klar, Venom und der Punisher sind Figuren, die vor ihrem Ausschluss aus der Menschheit durch ihr Superheldendasein, bloß ein Achselzucken übrig hatten für jeden, der beim Rattenrennen nicht mehr mitkommt. Man könnte darüber Schadenfreude empfinden. Man tut es auch. Genau genommen ist es das was einen wirklich mit den Beiden verbindet und Adi Shankar nutzt das gnadenlos aus.

USA 2012/2013, Regie: Adi Shankar

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