Pornfilmfestival 2012: The Bunny Game

Von  //  17. Oktober 2012  //  Tagged: , , ,  //  Keine Kommentare

The Bunny Game

Eigentlich wollten wir im Vorfeld viel über das „Pornfilmfestival 2012“ (24.-28. Oktober 2012, Berlin) schreiben, aber die Filme kamen zu spät, um sie in Ruhe anzusehen. Es musste schnell-schnell gehen, und das ausgerechnet bei unserem Lieblingsthema. Nun hab ich mich gegen meine Natur aber doch beeilt, um wenigstens einige zu besprechen. Wenn auch nicht so sorgfältig, wie ich es gern getan hätte.

THE BUNNY GAME sieht gut aus: menschenleere, menschlicher Wärme entrückte Gegenden, wie an einem leergefegten Sonntag, grafisch durchdacht, kontrastierend. Ein wattiges, glitzerndes Weiß, ein milchig-schimmerndes Blaugrau, so abgehoben hell, als schaue man durch kristallinen Kokainschnee, das Suchtmittel der Protagonistin. Auch die Musik – grunzender Black Metal, diffuses, taubes, pochendes, wankendes Ambient – passt gut zu den rhythmisch und assoziativ geschnittenen, splitternden Bildern. Und die Hauptfigur ist eine zarte Schönheit, expressiv geschminkt, edelpunkig gekleidet, zu deren offenkundiger Verletzlichkeit ihre Kunden einen mitleiderregenden Kontrast bilden.

Es sind lauter Männer, die ihrem Image und auch Verhalten nach nicht für Sensibilität und Erotik stehen: ein grauer Dreadlockfreak, ein massiger Biker, ein elsterhafter Drogensüchtiger und schließlich ein verlebter Trucker, alle unberechenbar brutal. So sieht man das einsame Mädchen zwischen dem Sex mit ihnen bitterlich weinen. Dann stellt sie sich wieder her, mit Schnupfen, Schminken, in den Spiegel Lächeln. Und auf zum nächsten dubiosen Kerl. Der Sex dieser Männer allerdings ist sexy und springt über, jedenfalls auf mich; sie sehen hungrig aus, sie stöhnen tief und tierisch. Falls sie sich wundern, dass das Mädchen bei jeder Kleinigkeit weint, so übergehen sie das; es ist ja schnell vorbei, und dann kriegt sie ihr Geld, das sie ja braucht und will.

In dem Trucker jedoch gerät sie an einen sexmanischen Fiesling, der Frauen raubt und ihnen Angst machen will, versessen auf die Dauererregung, die aus seinem Leben einen abenteuerlichen Film macht. THE BUNNY GAME inszeniert seinen Sadismus suggestiv ästhetisierend; man geht mit dem bösen Mann mit, wenn er, hörbar atmend, die Ohnmächtige mit dem Messer auszieht, man möchte ihn sie ficken sehen. Das tut er kaum, okay, auch das erhöht die Spannung.

Die Frage ist nur irgendwann: Wohin, wenn man so weit gegangen ist? Wenn er kein Serienmörder ist (Rückblenden zeigen eine Vorgängerin, deren Kopf auch angespuckt, rasiert und in eine Plastiktüte gewickelt wurde), falls er also das Wesen, mit dessen ausgelieferter Lebendigkeit er spielt, nicht wirklich kaputtmachen will, dann kann er immer nur bis an die immergleiche Grenze gehen, bis an den Mord heran und wieder zurück. So kommen einem dieser väterliche Feind, der sich vergeblich zu übertrumpfen versucht, und das total fertige, wimmernde Opfer, dessen schreiendes Entsetzen jedes Mal bis zum Anschlag geht, irgendwann berechenbar vor; man löst sich von der Illusion, seine Aggression und ihre Lebensbedrohung seien echt, und beginnt, die Bilder enervierend und (besonders ihn, in seiner Überpräsenz) etwas lächerlich zu finden. Trotzdem. Nicht schlecht. Oder, Ecki, was meinst du? Alex hat ihn im März ja schon bei uns besprochen. Er war nicht begeistert… Was meinst du denn, Ecki?

Ecki meint: Sehr guter Film! Am Anfang war ich wohl ziemlich genervt von der blöden Trulla, also nicht von ihr, sondern von der Inszenierung natürlich. Es ist wie der alte Witz, den mal jemand über Nina Hagen erzählt hat. Er ging mit ihr essen, und sie benahm sich im Lokal total daneben. Das, so sagte er, hätte er auch mit der nächstbesten Schlampe haben können. Tja, manchmal habe ich seltsame Assoziationen. Aber genau so, wie der Typ, fühlte ich mich mit dem Anfang von THE BUNNY GAME. Dann wurde es aber richtig lustig. Und damit meine ich auch lustig. Ich habe jedenfalls sehr gelacht. Und richtig großartig fand ich ihn dann ab der Szene, in der Jeff Renfro (als Hog, der Trucker) Bunny (Rodleen Getsic) Gassi führt (siehe auch die Screenshots, die Silvia dankenswerterweise eigefügt hat). Kurz davor gab es auch noch ein paar prima Szenen, die wie ein Video-Clip geschnitten waren und in denen Hog sein Messer immer wieder sehr hektisch in die Planken des Auflegers donnert. Wäre der Film doch bloß schon nach 12 Minuten dort angekommen. Zwischendurch fühlte ich mich fortwährend an Kram wie das Cinema of Transgression erinnert, und Mike Kelley (Uncanny) hatte ich während der teilweise sehr surrealen Einstellungen auch andauernd im Kopf. Aber das alles wurde ich los, als die Getsick auf allen Vieren durch die Wüste stakste und ihr Arsch nun mal aussah, wie ein Arsch eben aussieht. Das fand ich entspannend. Ich, als Naturalist jetzt.

Das Ende ist reine Poesie. Die Güte (verkehrte Welt), mit der Hog das geschundene Wesen freigibt, dass er nie auch nur annähernd im Stande war zu brechen, weil er sowieso impotent ist. Wunderbar. Die allerletzte seeeeehr lange Einstellung, ist die beste des Films.

Was ich THE BUNNY GAME nicht so leicht verzeihe, sind ein paar Einstellungen, die dringend der Entrümpelung bedurft hätten. Vor allem, was den Sound angeht. Der Score macht 30 Prozent des Filmes zunichte. Die erhabenen Einstellungen aus dem Anhänger heraus, die doppelte Kadrierung, dieses starke, wirklich sehr starke Bild; kaputtgeblubbert von einem aufdringenlichen, überflüssigen, abturnenden (im Sinne von „ohne wäre so was von geil gewesen“) Stück Musik bei dem man die ganze Zeit denkt,… „halt doch einfach mal deine verdammte Fresse“. Auch noch so ne Sache: Die Screenshots lassen Besseres vermuten, als man tatsächlich im Film zu sehen bekommt, was die Kontraste und den overall Look des Films angeht. Er ist so hundserbärmlich unsteil in der Wirkung. Ich weiß ja nicht, ob das Absicht war, oder ob Rehmeier einfach keine Ahnung hat. Jedenfalls sieht das Schwarz-Weiß einfach nur beschissen aus.

Noch ein Wort zum Thema von THE BUNNY GAME. Ich habe das nicht so empfunden, dass Hog auf eine Dauererregung versessen ist. Eher scheint mir die Crux des Ganzen zu sein, dass er unfähig ist auf eine irgendwie befriedigende Weise erregt zu sein (Impotent eben, wie ich oben schon sagte). Kann schlimm sein, so was.

USA 2010, Regie: Adam Rehmeier

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Über den Autor

Silvia Szymanski, geb. 1958 in Merkstein, war Sängerin/Songwriterin der Band "The Me-Janes" und veröffentlichte 1997 ihren Debutroman "Chemische Reinigung". Weitere Romane, Storys und Artikel folgten.

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