Replicas

Von  //  10. September 2012  //  Tagged: , , ,  //  1 Kommentar

Um nach dem schrecklichen Unfalltod ihrer Tochter wieder etwas zu sich zu finden, fährt die junge und gut situierte Familie Hughes zum Landhaus der Familie; hinauf in die Berge, wo es einsame Wälder gibt. Er (Josh Close) ist Anwalt, sie (Selma Blair) Grundstücksmaklerin. Der etwas bleiche Sohn sitzt in seinem Zimmer und spielt Ballergames von morgens bis abends. Im extrem luxuriös ausgestatteten Cottage bekommen sie jedoch bald Besuch. Die neuen Nachbarn, Familie Sikowsky, eindeutig weniger gut abgesichert, steht vor der Tür und zwingt den Hughes, die nicht nein sagen können, ein gemeinsames Abendessen auf. Nach einer langen Reihe von kleinsten und kleineren Grenzübertretungen wächst das Gefühl des Unbehagens und da platzt den Hughes schließlich irgendwann der Kragen – sie beenden den gemeinsamen Abend. Doch Bobby Sikowsky, der physiognomisch wie ein zweiter Anthony Perkins aussieht, lässt sich nicht alles gefallen. Man kehrt zurück, bewaffnet, und es beginnt eine Nacht des Schreckens für unsere Wohlstandsfamilie.

Home-Invasion, die Tausendste. REPLICAS ist ein Genre-Film, der sich seine Anleihen von weit über den Globus verstreuten Vorgängern zusammensucht: Hanekes FUNNY GAMES fällt einem ein, der Wahnsinn Norman Bates‘ in PSYCHO, Anspielungen an Argento-Miniaturen fallen auf, die Fahrt entlang der einsam sich windenden Straße durch die Wälder erinnert an Stanley Kubricks SHINING. Und die Eröffnungsszene ist auch vielversprechend gestaltet, wenn beim Stop an der Tankstelle Sohn Brendon (Quinn Lord) mit dem Hund hinter dem Gebäude zum Ballspielen verschwindet, und die Mutter mit viel Mascara unter den Augen, was auf große Trauer und exzessives Weinen hindeutet, sich auf die Suche nach dem Sohn macht. Der Wald fängt dort hinten an, es tropft von den Bäumen, Kind und Hund sind verschwunden. Gleichwohl tauchen sie bald wieder auf, doch genregesetzlich mit Schreckmoment versehen, findet man sich urplötzlich in einer POV-Beobachtersituation wieder, in der man aus dem Unterholz heraus die Mutter bei ihrer immer panischer werdenden Suche beobachtet.

Leider hält sich REPLICAS allzu sehr an die Gesetze seines Genres und begnügt sich mit dem Aufkochen von Altbekanntem, und kann deswegen im weiteren kaum mehr überraschen. Auch wird einmal eine merkwürdig enthobene Atmosphäre in einem eigentlich grausigen Moment beschworen, in der der Invader Bobby das Ehepaar zum Beischlaf zwingt. James D’Arcy entpuppt sich im Folgenden auch als mimische Schwachstelle des Films, dessen limlitiertes Spiel als Bösewicht nicht ausreicht, die bedrohliche Spannung zu tragen. Die sexuelle Bedrohung gegenüber Ehefrau Mary ist genauso wenig überzeugend und wirkt wie vom Zufall geleitet (die Figurendarstellung ist überhaupt etwas sehr eindimensional geraten und kann dem sich intensivierenden Terror nichts an Intensität hinzufügen). Wie eigentlich die ganze Handlung recht erratisch wirkt, denn die Sikowskys scheinen einfach eine an der Klatsche zu haben.

Ehe man sich versieht, ist der Film vorüber. Und das Drehbuch entblödet sich nicht, in einem doofen Happy End, bei dem tatsächlich zum ersten Mal im Film die Sonne aufgeht, die Eheleute während einer posttraumatischen Therapiesitzung sich bedeutungsschwanger die Hände geben zu lassen, um sich dabei zu versichern, man liebe sich noch sehr und alles sei in Butter. Zumindest tendenziell.

REPLICAS, Kanada 2012; Regie: Jeremy Power Regimbal.

* Cross-Posting mit nachtsichtgeräte.

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Über den Autor

Michael Schleeh schaut vor allem asiatische Filme. Seit ein paar Jahren betreibt er das Blog SCHNEELAND und schreibt Reviews für verschiedene Webseiten. Indisches Regionalkino ist sein aktuellstes Ding. ~~ Michaels Filmtagebuch: http://letterboxd.com/schneeland/ ~ Michaels Twitter: @mono_micha

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Ein Kommentar zu "Replicas"

  1. PhoenixMIX 11. Oktober 2012 um 17:48 Uhr · Antworten

    Ich habe Replicas gesehen. Der Film wurde ja mittlerweile umbenannt in den Titel In their Skin. Ich muss sagen das dieser Streifen sehr gut ist und eine höhere Wertung verdient hat als hier angegeben (6,4). Quinn Lord hat endlich eine große Rolle bekommen. Er ist nicht bleich. Er spiegelt vielmehr das Familienkind wieder. Filme wie Psycho, Shining und auch Funny Games haben mit In their Skin wenig zu tun. Gleich zu Beginn sieht man in diesem Thriller um was es geht. Nämlich um einen Mann der nachts seinem Hobby nachgeht mit einen Schrotgewehr.

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