Lieblingsfilm: Baby Doll

Von  //  15. Oktober 2011  //  Tagged: ,  //  7 Kommentare

Diesen Film haben zu wenige gute Leute gesehen. Zu seiner Zeit allerdings erregte er Aufsehen, war ein Skandal, die Schauspieler wurden für Preise, ich glaube sogar den Oscar, nominiert. Doch dann verflog das alles. Und seit ich ihn aus dem Fernsehen kenne, wo er irgendwann vor vielen Jahren einmal lief, habe ich das Gefühl, mit ihm allein zu sein.

Das ist sehr schön, aber so darf`s nicht bleiben. Es gehört an die ganz große Glocke, wie Eli Wallach und Carroll Baker diese Rollen des bösen Wolfs und des kindlich-läufiges Zickchens spielen wie keine anderen Menschen auf der Erde. Und Karl Malden dazwischen als verzweifelte Kartoffel, bis auf die gemeinen Knochen unsicher, geltungsbedürftig, zerrissen. Seine sehr junge Frau macht ihn – so sieht er es, so ist die klassische Sicht auf so was – mit seinem Rivalen zum Affen. Aber er ist nicht besser. Deshalb hat man dem Film damals auch vorgeworfen, dass seine Hauptfiguren alle niedrigen Charakters seien, ethische Zwerge, halbdebile Witzfiguren, die nur aus sexueller und materieller Gier handelten. Tatsächlich herrschen diese geächteten Leidenschaften in den Figuren wie hyperlebendige, ungebremste Voodoo-Dämonen. Die Kritik verriss deswegen den Film, erkannte aber die spektakulär intensive Schauspielkunst („Ihr Spiel zersetzt die Leinwand“). Hinter dieser Kunst steckt eine schiere, blendende Intelligenz und ein halsbrecherischer Mut, gegen die Moralvorstellungen der eigenen Zeit anzuspielen; Carroll Baker ist ein Genie in diesem Film.

Ein flaumweiches, schmelzend lichtes Flittchen beim Paarungstanz mit einem archetypischen Zorro – wie sie vom ersten Moment an aneinander kleben, spannungsvoll, betört und betörend: Das ist eine schamlose Offenbarung und pointierter oder besser getimt nicht denkbar.

Silva Vaccaro (Eli Wallach) wird getrieben vom Rachebedürfnis an Archie Lee Meighan (Karl Malden), der ihm sein Baumwolllager angesteckt hat und nicht weiß, dass er es weiß. So will er nun dessen junge Frau Baby Doll (Carroll Baker) gegen ihren Mann benutzen, doch dieses Spiel spielen die zwei sichtlich auch aus anderen Gründen.

Alles geschieht in einem auseinander fallenden Grundbesitzerhaus, einem Spottlied auf den auf den Hund gekommenen Glanz der Südstaaten. Die Gegend: ländlich lasziv, lazy und crazy. Bauernschläue und Lynchjustiz, Hühnerdreck und Voodoo-Aberglaube.

P.S.: Ich fühle mich weniger allein, seit ich die englischsprachigen Kommentare zu den YouTube-Clips gelesen habe. („Eli Wallach, of all people, is just so blazingly hot and dangerously sexy, it’s unbelievable how they never used him in this way again.”)

USA 1956, Regie: Elia Kazan, Buch: Tennessee Williams

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Über den Autor

Silvia Szymanski, geb. 1958 in Merkstein, war Sängerin/Songwriterin der Band "The Me-Janes" und veröffentlichte 1997 ihren Debutroman "Chemische Reinigung". Weitere Romane, Storys und Artikel folgten.

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7 Kommentare zu "Lieblingsfilm: Baby Doll"

  1. Whoknows 23. Oktober 2011 um 01:01 Uhr · Antworten

    … und all das in wunderschönen Farben mit Schauspielern (Natalie Wood, Warren Beatty), deren Jugendlichkeit in dieser scheinbaren Idylle ein Happy-End verdienen würde – was dem Zuschauer am Ende umso grössere Schmerzen bereitet. Muss mir den Film gelegentlich unbedingt auf DVD anschaffen, da sich das Fernsehen offenbar „ziert“.

  2. Eckhard Heck 20. Oktober 2011 um 21:26 Uhr · Antworten

    Habe den leider nur im TV gesehen. Klassisches, implodierendes Drama, bei dem am Ende alle verlieren. Schmerzhaft ausweglos, das Ganze.

  3. Silvia Szymanski 19. Oktober 2011 um 09:31 Uhr · Antworten

    Damiano nun wieder! ;-) Ihr seid einfach verdorben, Gerard und Marco. Nein, „Splendor in the grass / Fieber im Blut“ mit Natalie Wood und Warren Beatty, Kleinststadt in Kansas, Eltern und alle spucken Teenagern ins Leben, verhindern Sex und Liebe, Folge Depression und Selbstmord – was tatsächlich auch ein Damiano-Thema wäre, hm. Ecki und Whoknows, wollt ihr uns mehr darüber erzählen? (Oh, ich hab heute morgen stilistisch meinen Lehrerinnentag). Die Thematik finde ich immer anziehend.

  4. Marco Siedelmann 18. Oktober 2011 um 22:55 Uhr · Antworten

    Ich kenne nur „Splendor in the Ass“ von einem gewissen Gerard Damiano. :)

  5. Eckhard Heck 18. Oktober 2011 um 14:30 Uhr · Antworten

    „Splendor in the Grass“ Thumbs up!

  6. Silvia Szymanski 18. Oktober 2011 um 12:05 Uhr · Antworten

    Danke für den Tipp, Whoknows; was man über „Splendor in the grass“ so lesen kann, klingt gut. Ja, vielleicht hast du Recht mit den politischen Gründen für Baby Dolls Verschwinden. Ich weiß zu meiner Schande zu wenig über die Kommunistenverfolgung der McCarthy Ära. Wie ich mich kenne, nehme ich an, ich hätte Kazans Verhalten nicht gut gefunden. Aber Baby Doll spreche ich frei.

  7. Whoknows 16. Oktober 2011 um 00:14 Uhr · Antworten

    Ich habe den Eindruck, es sei einem unrühmlichen Grund zu „verdanken“, dass man einem Film wie „Baby Doll“ heute kaum mehr begegnet: Elia Kazan steht stellvertretend für all die Hollywood-Figuren, die vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe „auspackten“. Dass er selber als ehemaliges Mitglied der kommunistischen Partei ähnlich wie Dmytryk in Schwierigkeiten war, während es ganz andere Plaudertaschen gab, wird vergessen. – Entsprechend werden ein paar unumgängliche Meisterwerke des Regisseurs („A Streetcar Named Desire“, „On the Waterfront“ oder „East of Eden“) gezeigt. Andere landen auf seltsame Weise im Archiv. Ich vermisse z.B. auch den wunderschönen und tieftraurigen „Splendor in the Grass“ (1961). Wird Zeit, dass das Spätprogramm an solche Filme erinnert und Kazan halbwegs rehabilitiert.

    Das schreibe ich übrigens als überzeugter Anhänger, wenn auch Schweizer, von Rot/Grün. :)

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