Das Monster mit der Teufelsklaue

Von  //  6. Mai 2011  //  Tagged: ,  //  9 Kommentare

Die Augen des Monsters mit der Teufelsklaue.

Man redet ja öfter von Filmen, die wie ein Traum wirken, aber zumindest ich muß gestehen, manchmal extrem bescheuerte Träume zu haben. Nur ungern denke ich zurück an die Geschichte mit dem braunen Planeten, die explodierenden Skispringer im Garten, oder das Weizenbier-Wettsaufen mit Roberto Blanco. Manche von diesen bescheuerten Träumen wirken aber an vielen Stellen sehr real, teilweise auch beängstigend. Das Monster mit der Teufelsklaue ist so ein Misch-Masch-Traum von einem Film.

Irgendwann im schätzungsweise späten 18. Jahrhundert taucht ein Diener des Teufels in einen kleinen Ort in Cornwall auf. Schuld an dieser nicht zu unterschätzenden Bedrohung hat die Tochter des Bürgermeisters, die ihr jungfäuliches Blut bei einem Liebesschwur mit ihrem nicht-standesgemäßen Geliebten („Er ist kein Bauernlümmel, er ist ein Landwirt“) auf das Grab eines Selbstmörders hat tropfen lassen. Es folgt ein großes Morden, das zuweilen recht blutig daherkommt. Kommt die erste Hälfte des Films – abgesehen von ein paar Unglaublichkeiten auf der deutschen Tonspur – noch relativ straight daher, mit einem dann und wann aufblitzenden Gespür für gelungene Kompositionen und Charakterköpfen wie Ronald Lacey, driftet der zweite Teil in ungeahnte Gefilde ab. Ach so, in der Nähe des Dorfes, unter dem Galgenhügel, wohnt ein Okkultist (im Original ein Kabbalist), der tolle Tinkturen machen und mit seinem Spiegel in die Zukunft sehen kann. Oder ist er nur ein Geist? Diesem Beistand der Guten muß der Böse freilich etwas entgegensetzen, und so beschwört er einen Dämon aus der Hölle herauf: Es ist ein Gnom im Trachtenanzug. Dieser zieht eine Show ab, als hätte ihm keiner gesagt, daß die anderen gerade versuchten, einen ernsthaften Horrorfilm zu drehen. Andererseits kenne ich das Drehbuch auch nicht, vielleicht war das alles so geplant, und das wäre in der Tat teuflisch.

Das Budget für diesen Film war für ein „period piece“ viel zu gering: Berichten zufolge hat Hauptdarsteller Mike Raven (ein in England berühmter Rhythm’n’Blues-DJ, der sich zu dieser Zeit auch das Image eines echten Okkultisten anlegte) einen Großteil der 50.000 Pfund von der Bank geliehen. Ich weiß nicht, ob er’s zurückzahlen konnte, da die Kritiker kein Verständnis für den Film aufbrachten, und er anschließend seiner kurzen Film-Karriere den Rücken zukehrte. Aber wäre ich Banker, hätte ich gesagt: Ist in Ordnung, Jung, du hast da einen Film ermöglicht, der unbezahlbar ist.

Disciple of Death, GB 1972, Regie: Tom Parkinson


Teil 2: Aus der deutschen Zensurgeschichte:

Die FSK zur Kinofassung:

„Es handelt sich um einen blutrünstigen Film, der voller ekelerregender Szenen ist, die insbesondere wegen der verschiedenen angewandten und gezeigten Todesarten brutalisierend auf junge Menschen wirken und die sozial nicht gefestigten Jugendlichen zur Nachahmung verführen können.“

Die FSK hatte 6 Schnittauflagen verfügt:

„(…)
2. Bei der Ermordung des Mannes des Liebespaares Entfernung folgender Bilder
a) das Zustechen mit dem Dolch bis auf einen Stich, der verbleiben kann
b) der näheren Aufnahme mit dem blutverschmierten Gesicht des Getöteten.
(…)
5. Der blutige Kopf des am Boden liegenden Bürgermeisters darf nur ganz kurz gezeigt werden.
6. Aus der Folterszene müssen die Bilder mit den schmerzverzerrten Gesichtern des jungen Paares um die Hälfte gekürzt werden.“

Der „Filmbeobachter“ urteilte im Dezember 1976:

„Über diesen Streifen braucht man eigentlich nicht viel Worte zu verlieren, denn in deutlichem Gegensatz zu anderen Gruselfilmen mit Scheinreligiösität, die durch gute Besetzung und sonstigen Aufwand ernsthaften Okkultismus vorzutäuschen suchen, wirkt dieses Produkt wie eine bewußt auf Gaudi getrimmte Aufführung einer Dorfbühne, ähnlich den bluttriefenden Kiefersfeldener Ritterspielen.“

Er beklagt lediglich die FSK-Freigabe für die „stillen Feiertage“: Wenn man in den 70ern nicht tanzen gehen durfte, konnte man sich immerhin noch „Das Monster mit der Teufelsklaue“ reinziehen. Aber dem wird nun (30.10.1984, anlässlich des Video-Releases) ein Riegel vorgeschoben: Die BPJS, aufgescheucht durch einen Antrag des Kreisjugendamtes Pirmasens,

„ist der Meinung, der Film sei geeignet, Kinder und Jugendliche zu gefährden. (…) Die Grundwerte Leben und Gesundheit würden in diesem Film in höchsten Maßen mißachtet.“

Sie bezieht sich auf „Erkenntnisse der Lerntheorie“:

„Danach wirken folgende Darstellungen besonders verrohend:
Wenn Gewalt um ihrer selbst willen gezeigt, in großem Stil und in epischer Breite geschildert wird oder einer guten Sache dient.“

Was die „gute Sache“ sein soll, ist zwar nicht ganz klar, aber egal:

„Der Film besteht aus einer Aneinanderreihung von Brutalitäten, die von Menschen gegen Menschen verübt werden. Dabei tragen sowohl Lord Asher als auch sein Gnom als auch die von ihm beherrschten Frauen im Film überwiegend noch so weitgehend menschliches Aussehen und menschliche Gestalt zur Schau, daß sich für den Betrachter die von ihnen wie die gegen sie ausgeübte Gewalt als von und gegenüber Menschen verübt darstellt. Die Zwischenhandlungen, in denen keine Brutalitäten geschildert werden, dienen lediglich dazu, diese erneut vorzubereiten.“

Es folgt eine ausführliche Beschreibung der Gewaltszenen, bei der man nostalgisch werden möchte:

„Doch nicht genug damit, daß dem Zuschauer der Mord in allen Einzelheiten gezeigt wird, ihm wird auch nicht erspart, die Leiche am Boden noch einmal in aller Ausführlichkeit sehen zu müssen.“

Und später:

„Lord Asher reißt das Herz aus Ruths Brust, was genau zu sehen ist.“

Nein, ist es nicht. Die Kamera befindet sich auf Blickhöhe der liegenden, voll bekleideten Ruth, Asher greift de facto HINTER sie und nimmt das Herz vom Tisch: Ein simpler Zaubertrick für Heranwachsende, der freilich die BPJS zu dem Ergebnis kommen lässt:

„Dem Zuschauer wird „nichts“ erspart.“

Anführungszeichen wie im Original. Wer den Film nicht kennt, nimmt spätestens jetzt an, es handle sich nicht um ein liebenswertes Do-it-yourself-Filmchen, das effekttechnisch nie über Ketchup und rückwärts kopierte Einstellungen hinauswächst, sondern um eine besonders teuflische Mischung aus Fulci und Andy Milligan. Die BPJS ist zutiefst verstört und kann sich in ihrer Erregung nicht einmal festlegen, ob eine Figur nun als Pastor, Pater oder Pfarrer bezeichnet werden soll. Denn siehe:

„Die Gewaltdarstellungen erfolgen insbesondere auch um ihrer selbst willen. (…) Schrecken und Horror werden bewußt erzeugt, um das lüsterne Interesse des Zuschauers an Gewalt zu befriedigen. (…) Wenn auch eine Identifizierung der Jugendlichen mit manchen Geschehnissen kaum möglich ist, so erhalten sie doch den Eindruck, Gewalt bestimme das tägliche Leben.“

Und der „Filmbeobachter“, so die BPJS, macht sich die Sache zu leicht:

„Der Gutachter bezieht sich augenscheinlich auf die geschnittene Kinofilmfassung, nicht auf die mit den blutrünstigen Szenen angereicherte Videofilmfassung. Im übrigen vermag der erwachsene Zuschauer durchaus den Eindruck haben, durch die schlechte Machart des Films sei vieles überzeichnet und der Lächerlichkeit preisgegeben. Demgegenüber werden Kinder und Jugendliche diesen Eindruck nicht haben. Sie nehmen das Geschehen so hin, wie es ihnen präsentiert wird, ohne darin Lächerlichkeiten entdecken zu können.“

Dies ist freilich in der Tat ein Problem, weshalb ich auch immer schon ein Verbot von Nachrichtensendungen angeregt habe, aber auf mich hört ja wieder keiner.

(Andreas Poletz, im Mai 2012)

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Über den Autor

Alex Klotz ist ein Zelluloid atmendes Wesen und betreibt den Blog hypnosemaschinen. Alex Klotz hat nie als Tellerwäscher, Aushilfsfahrer oder Kartenabreisser gearbeitet und gedenkt das auch in Zukunft nicht zu tun.

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9 Kommentare zu "Das Monster mit der Teufelsklaue"

  1. Eckhard Heck 20. Mai 2011 um 16:50 Uhr · Antworten

    Oh, glatt überlesen, bzw. davon ausgegangen Weizenbierwettsaufen wäre Silvias originärer Einfall gewesen. Deshalb auch die Wunderung.

  2. Alex Klotz 20. Mai 2011 um 13:32 Uhr · Antworten

    Siehe erster Abschnitt oder auch hier. ;)

  3. Eckhard Heck 20. Mai 2011 um 13:19 Uhr · Antworten

    Was habt ihr denn immer mit Roberto Blanco?

  4. Alex Klotz 19. Mai 2011 um 19:20 Uhr · Antworten

    Ich kenne Roberto Blanco jetzt nicht persönlich, und vielleicht tu ich ihm Unrecht, und er ist in Wirklichkeit eine viel nettere Person als in meinem Traum, ich würde dich aber jederzeit beim Gemeinschaftstrunk vorziehen. ;)

  5. Silvia Szymanski 19. Mai 2011 um 00:00 Uhr · Antworten

    @Ecki: Ich stelle mir das, wenn ich Alex einen Traum erfüllen will, immer noch leichter vor als den Planeten braun zu machen oder Skispringer im Garten explodieren zu lassen. Allerdings bin ich natürlich immer noch nicht Roberto Blanco, hm.

  6. Eckhard Heck 13. Mai 2011 um 16:40 Uhr · Antworten

    @Silvia. Du weißt, dass in einem Weizenbierglas 0,5 Liter drin sind?

  7. Alex Klotz 12. Mai 2011 um 01:24 Uhr · Antworten

    Ja, nach deinem Konzertbericht habe ich mich auch geärgert, nicht hingegangen zu sein. Habe immer etwas Vorbehalte bei Konzerten ehemaliger One-Hit-Wonders. Werde ich aber nicht noch mal verpassen, und was das Weizenbier betrifft, nehme ich dich beim Wort. :)

  8. Silvia Szymanski 11. Mai 2011 um 21:15 Uhr · Antworten

    Ja echt. Wieso warst du eigentlich nicht bei Arthur Brown im Outbaix, Alex? Du hättest es geliebt. Der ist wie aus diesen Filmen, the God of Hellfire. Musst du dir nächstes Mal unbedingt ansehen, hoffentlich lebt er noch ein bisschen. Können wir auch Weizenbier wettsaufen.

  9. Eckhard Heck 6. Mai 2011 um 20:04 Uhr · Antworten

    Hammer. Die Szene mit dem Fluss ist doch genial. Für derartige Täuschungs-Tricks habe ich viel übrig und überlege wirklich lange, wie die das wohl gemacht haben. hmmmmm.

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