We are our own Devil – The Golden Age of Porn

Von  //  28. April 2011  //  Tagged:  //  8 Kommentare

Threesome. Illustration: Annette Schulze-Kremer, ask.illu

Ja, ich gestehe es: Als die männlichen Dickschädel Frau Szy und mir die Idee unterbreiteten, wir Mädels sollten doch mal Pornos rezensieren, war mir etwas unbehaglich zumute. Ich hatte Vorurteile Pornos gegenüber, und zum Teil habe ich sie wohl auch noch immer. Pornos, das sind doch diese stereotypen Rein-Raus-Filmchen, in denen die Frauen alle Megamöpse vor sich hin balancieren, dauerbewaffnete Muskelprotze schneller aus ihrer Postboten-, Polizisten- oder Installateursuniform springen als man Piiiiieeeep! sagen kann und sich die Artikulationsfähigkeit beider Geschlechter auf Grunzlaute beschränkt. „Es gibt auch gute Pornos!“, widersprachen die Herren Hardheads, „Ihr habt vermutlich nur noch nie einen gesehen.“ Gute Pornos. Aha. Wohlmöglich sogar mit Handlung, ästhetischem Anspruch oder authentischer Darstellung? Na gut, ich will mir ja nicht nachsagen lassen, ich hätte einem unterschätzten Genre keine Chance gegeben.

Frau Suk

Es ist bestimmt nicht ohne psychologische Bedeutung, dass Frau Suk und ich die Entstehungsgeschichte unseres Porno-Projekts unterschiedlich im Kopf haben. Ich meine nämlich, dass nicht die bösen Jungen, sondern ich es war, die vorgeschlagen hat, dass wir Frauen Pornofilme rezensieren. Sex ist ein Thema, das mich reizt, von selbst, und auch, weil es die anderen reizt. Ich habe mir immer gewünscht, in den Filmen, die ich liebe, würde nicht so früh aufgehört. Ich wollte meine Lieblingsschauspieler nackt und in Erregung sehen, gucken, wie sie die Sache angehen, auf welche Dinge sie verfallen: Das war für mich der Inbegriff von „Handlung“, die mich interessierte. Deswegen freute ich mich über Vincent Gallo in „Brown Bunny“ und über Marlon Brando und Maria Schneider im „Letzten Tango in Paris“. Als die öffentliche Meinung über sie herfiel und besonders Maria Schneider als Mega-Schlampe verfolgte, war ich betroffen, denn ich dachte, dass ich innerlich wie sie bin. Ich hab auch immer über Pornodarsteller gestaunt, was die sich trauten. Als gäbe es keine Verachtung da draußen. Und keine ungewollten Schwangerschaften, Schuldgefühle, Abtreibungen, Geschlechtskrankheiten, Eifersucht… dabei verfolgt einen die gestrenge Wirklichkeit doch bis in den Dreh hinein. Nur der Zuschauer ist wirklich sicher. Nutzen wir es aus.

Silvia Szymanski

Ja, vermutlich hat Silvia die Situation korrekt in Erinnerung. Ich entschuldige mich aufrichtig, die Herren Hardheads zu Lüstlingen degradiert und Silvias Motivation nicht richtig wahrgenommen zu haben. Inzwischen glaube ich auch zu wissen, wie es bei mir zu dieser Wahrnehmungsverschiebung kam: Die Film-Vorschläge kamen alle von den Jungs. Ich kannte keinen einzigen, den es sich zu rezensieren gelohnt hätte.

Interessant, dass meine Haltung zu Pornos eine ganz andere ist als die von Silvia. Ich fand Pornos nur so lange interessant, wie ich keinen Zugriff darauf hatte. Das Dunkle, Verbotene, Unbekannte reizte mich. Als es mir dann frei stand, sie zu konsumieren, verlor ich schnell das Interesse an Pornos. Die Pornos der 90er lösten keine Skandale mehr aus und waren zum Teil ausgeleuchtet wie Supermarkttheken. Die persönliche Definition von „unbekannt“ ändert sich im Verlauf der Pubertät ohnehin rasch, und das, was Filme für mich nachhaltig sehenswert macht – authentische Darstellung, Vielschichtigkeit, eine Handlung, auf die ich mich einlassen kann, oder zumindest schöne Bilder – kam nicht vor in den Pornos, die ich kannte. Natürlich war es „echter“ Sex, der dort gezeigt wurde, aber es war zu offensichtlich, dass er für die Charaktere nicht mit echter Erregung verbunden war. Mir fehlte die Spannung zwischen den Partnern, das Knistern, die Spontaneität, das Unvorhersehbare. Deshalb ist es für mich auch sekundär, wie explizit die Szenen sind. Ich finde oft sogar Szenen in FSK-12-Filmen reizvoller, in denen mit glaubhaftem Genuss geknutscht wird. „Nur“ Sex reicht mir irgendwie nicht. However, legen wir los…

Frau Suk

Die Filme
01 The Devil in Miss Jones, USA 1973, Regie: Gerard Damiano
02 The Story of Joanna, USA 1975, Regie: Gerard Damiano
03 The Magical Ring, USA 1971, Regie: Gerard Damiano
04 Boys in the Sand, USA 1971, Regie: Wakefield Poole
05 LA Plays Itself, USA 1972, Regie: Fred Halstead
06 Taboo & Taboo II, USA 1980/82, Regie: Kirdy Stevens
07 Shocking!, FRA 1976, Regie: Claude Mulot
08 Café Flesh, USA 1982, Regie: Steven Sayadian
09 Angela, The Fireworks Woman, USA 1975, Regie: Wes Craven
10 Angela, The Fireworks Woman (Replik), USA 1975, Regie: Wes Craven
11 Do me Evil, USA 1975, Regie: Toby Ross
12 Through the Looking Glass, USA 1976, Regie: Jonas Middleton
13 Hot Dreams, USA 1983, Regie: Shaun Costello
14 Little Orphan Dusty, USA 1978, Regie: Bob Chinn & Jourdan Alexander
15 Greek Lightning, USA 1973, Regie: Warren Stephens
16 Roger [und andere Kurzfilme], USA 1977, Regie: Wakefield Poole
17 Bijou USA 1972, Regie: Wakefield Poole
18 Behind The Green Door USA 1972, Regie: Artie & Jim Mitchell (aka The Mitchell Brothers)
19 ‚N Shot in de Roos NL 1983, Regie: Willem van Batenburg
20 Drive USA 1974, Regie: Jack Deveau
21 The Other Side of Aspen USA 1983, Regie: Colin Myer
22 Behind The Green Door: The Sequel USA 1986, Regie: Artie & Jim Mitchell (aka The Mitchell Brothers)
23 Wanted: Billy the Kid USA 1976, Regie: Jack Deveau
24 Fongaluli USA 1974, Regie: Eduardo Cemano
25 Memories Within Miss Aggie USA 1974, Regie: Gerard Damiano
26 White Trash USA 1977, Regie: Toby Ross
27 The Back Row USA 1972, Regie: Doug Richards
28 Gemini/Always Ready/The Erotic Films of Peter de Rome USA 1977, Regie: Steve Scott / USA 1982, Regie: Wakefield Poole, Toby Ross / USA 1973, Regie: Peter de Rome
29 The Rivermen USA 1973, Regie: Mark Aaron

(to be continued…)

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Über den Autor

Silvia Szymanski & Bianca Sukrow | Silvia Szymanski, geb. 1958 in Merkstein, war Sängerin/Songwriterin der Band "The Me-Janes" und veröffentlichte 1997 ihren Debutroman "Chemische Reinigung". Weitere Romane, Storys und Artikel folgten. Bianca Sukrow, geb. in Aachen, ist Literaturwissenschaftlerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Mitgründerin des Leerzeichen e.V. Das alles hält sie nicht davon ab, über Sachen zu schreiben, von denen sie keine Ahnung hat (Filme z. B.)

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8 Kommentare zu "We are our own Devil – The Golden Age of Porn"

  1. Rainer 25. Oktober 2012 um 18:00 Uhr · Antworten

    Hallo, liest sich alle sehr gut was wir hier finden. Und macht Spaß.
    Aber was uns schon seit längerem interessiert – wo kann man denn die Filme aus dem Golden Age kaufen? Hier in Köln ist uns bisher nichts bekannt.
    Wir freuen uns sehr auf hilfreiche Unterstützung.
    Viele Grüße, Rainer

    • Alex Klotz 25. Oktober 2012 um 20:34 Uhr ·

      Hallo Rainer,
      vielen Dank für’s Lob! Ein Problem bei den Golden Age-Filmen ist freilich, daß viele davon noch nie auf DVD veröffentlicht wurden, erst recht nicht in Deutschland. Manche davon kann man zwar aus den USA importieren, was aber Probleme mit dem Zoll geben könnte. Was Köln betrifft, solltest du unbedingt mal bei der Traumathek vorbeischauen, die generell ein ungewöhnlich großes Sortiment an außergewöhnlichen Filmen haben – vom Golden Age vielleicht nicht ganz so viel, aber doch einige interessantere ältere Erotikfilme, die man auch ausleihen kann. Zudem solltet ihr das Programm der kleineren Filminitiativen im Auge behalten, MEMORIES WITHIN MISS AGGIE lief z.B. dieses Jahr im Filmclub 813.

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