Forgetting Sarah Marshall

Von  //  3. Februar 2011  //  Tagged:  //  Keine Kommentare

Judd Apatow ist im zu dieser Zeit die unangefochtene Nummer Eins was das Komödiengenre angeht. In großer Zahl erschienen in den letzten Jahren Filme von schwankender Qualität, in denen Apatow seine Finger im Spiel hatte – sei es als Produzent, Drehbuchautor, Regisseur oder gleich mehrere Funktionen, die das Multitalent ausführte. Die sicherste Hand hat er dabei glasklar bei Beziehungsproblemen und Coming-of-Age-Themen, zwei Problematiken, die immer Hand in Hand gehen und mit denen Apatow schon bei „Freaks & Geeks“ seinen Stil begründete. „Forgetting Sarah Marshall“ (der unsägliche deutsche Titel bleibt hier ungenannt) markiert nach „Superbad“ und „Knocked Up“ einen weiteren Höhepunkt im Schaffen Apatows, wobei der Film eigentlich viel mehr die Handschrift von Drehbuchautor und Hauptdarsteller Jason Segal („How I Met Your Mother“) trägt, der sich hier die Rolle auf den eigenen Leib schneidert. Trennungsschmerz und dessen Überwindung steht im Mittelpunkt der Handlung: Peter (Segal) wird von seiner Freundin Sarah (Kristen Bell, „Gossip Girl“) verlassen und muss mit gebrochenem Herzen wieder zurück ins Leben finden.

Peter selbst wird gezeichnet als leicht schludriger und wenig erwachsener Mann, der schon mal den
ganzen Tag in Boxershorts vor dem Fernseher hängt. Beruflich steckt er fest in einem Job, der ihn künstlerisch nicht befriedigt: Er schreibt die immergleiche Musik (wenn man es so nennen will) zu einer reißerischen, klischeehaften Polizei-Serie in der seine Freundin die Hauptrolle spielt. Die Darstellung der besagten Serie ist ein gut erkennbarer Seitenhieb auf überzeichnete Stylo-Serien a la „CSI“ und hält einiges an Spott in Bezug auf die Fernsehbranche bereit.

Wie leicht selbst ein so unkomplizierter Film missverstanden werden kann zeigt schon die Szene der eigentlichen Trennung: Als Sarah nach Hause kommt und Peter auf das unangenehme Gespräch vorbereiten will, lässt dieser wörtlich alle Hüllen fallen und präsentiert sich dem Zuschauer gänzlich nackt. Was in der Presse oftmals auf einen pubertären Ulk reduziert wird, ist viel mehr als das: nicht nur das es ungemeinen Mut von Segal erfordert, hier nackt zu spielen, dieses pikante Detail ist stilistisch überaus sinnvoll. Zeigt Peters Nacktheit doch seine volle Verwundbarkeit und sein Ausgeliefertsein innerhalb der Situation und macht damit die Emotion direkt transparent.

Im weiteren Handlungsverlauf muss er die das Single-Leben meistern, was natürlich nicht leicht erscheint. Hier muss man dem Film zugute halten, das auf die übliche, pseudo-unschuldige Prüderie amerikanischer Komödien verzichtet wird. Peter geht mit einer Reihe Frauen ins Bett, vermisst seine Beziehung aber weiterhin und findet keine vergleichbare Frau. „Forgetting Sarah Marshall“ bricht hier also mit der Binsenweisheit, die uns Hollywood immer wieder auftischt: Finde eine Neue, lass es ordentlich krachen und dann kommst du schon drüber weg. So einfach macht es sich das Drehbuch nicht, auch wenn der nächste Handlungsabschnitt ziemlich konstruiert und konventionell ist: Zum Ausspannen macht sich Peter auf eine Ferienreise nach Hawaii um dort den Kopf wieder frei zu kriegen und natürlich landet die Ex mit neuem Lover im selben Hotel.

Hawaii als Handlungsort kommt eine größere Bedeutung zu als eine hübsche, exotische Kulisse zu sein: Der Film ist eins mit seinem Schauplatz, versucht die Eigenheiten des Ortes heraus zu arbeiten ohne ihn zu idealisieren. So hört man auf dem Soundtrack einige folkloristische Songs, beispielsweise vom verstorbenen Israel Kamakawiwo’ole, was beiträgt zur authentischen Atmosphäre. Neben den lockeren Einheimischen werden weitere Typen vorgestellt, so zum Beispiel der Aussteiger Chuck, augenzwinkernd gespielt von Paul Rudd. Dessen Betonung des neuen Lebens wird treffend aufs Korn genommen und auch Peters Love Interest Rachel (Mila Kunis, „Max Payne“) sucht hier eine neue Ordnung im Leben. Das dies nicht immer gelingt verschweigt der Film keineswegs, vermittelt aber glaubwürdig die Hoffnungen, die ein ach so paradiesischer Ort wie Hawaii für den Großstadtmenschen mit sich bringt.

Häufiger angewandter Kritikpunkt an den Filmen Apatows ist die Zeichnung weiblicher Figuren, die einer Männerphantasie immer sehr nahe kommen. Hier ist Rachel dieses Idealbild einer Frau: Kumpelhaft, reizend und nett, dabei wunderschön doch nicht affektiert, oberflächlich oder arrogant. Sie erkennt sofort das Liebenswerte in Peter, was wirklich leicht süßlich erscheinen mag. „Forgetting Sarah Marshall“ verschweigt aber nicht, was für ein Glück es ist, so eine Frau zu treffen – von Kritikern Apatows eine gern übersehene Tatsache. Darüber hinaus ist auch Sarah selbst nicht eindimensional gezeichnet: Sie ist nicht das kaltherzige Miststück, das eine Hollywood-Komödie gern aus einer Figur wie ihr macht. Nach jahrelanger Beziehung hat sie die Routine satt und sucht nach neuen Abenteuern, was sie erst bereut, als es für sie schon zu spät ist. Ihr Charakter wird also weder verteufelt, noch wird die Beziehung versöhnlich am Ende zurecht gerückt. Das obligatorische „geschieht ihr recht“ bleibt dem Zuschauer also eher im Hals stecken – das es mit Rachel schließlich klappt, zeigt zwar ein Zugeständnis an den Feelgood-Charakter des Films, allzu große Versprechungen macht das Happy End aber auch nicht. Die Chance für eine neue Liebe ist zwar da, ohne aber garantiert zu werden, vor allem nicht auf Dauer.

Auch die akustische Seite kann durchweg überzeugen: Neben einem stimmig zusammengestellten Soundtrack aus der bereits erwähnten hawaiianischen Folklore und beschwingter Pop-Musik (Bsp. Belle and Sebastian) kommt der Musik auch weitere Bedeutung für die Handlung zu, nicht zuletzt aufgrund Peters Beruf als Komponist. Jason Segal bringt hier sein Talent fürs Pianospiel ein, was nicht nur zu einer urkomischen Szene mit improvisiertem Selbstmitleidssong führt sondern auch zu einer der originellsten Ideen überhaupt im Drehbuch: Peters Traum von einer Rock-Oper über Graf Dracula. Zwei Stücke sind im Film enthalten und zeugen von Einfallsreichtum und pointiertem Witz. Das dieses Stück letztlich ein Erfolg wird kommt daher nicht aufgesetzt daher sondern ganz natürlich. Gleiches gilt für zwei Songs, die ebenfalls eigens für den Film geschrieben wurden und von Russell Brand (in einer wunderbaren Rolle als neuer Lover von Sarah, der gleichzeitig ein Popstar ist) gesungen werden. Dessen Figur ist eine überzeichnete Karikatur eines esoterischen, selbstverliebten Pop-Musikers, der die Gunst des Publikums mit schmalzigen, politisch überkorrekten Texten gewinnt und von seiner „Kunst“ überaus überzeugt ist. Doch selbst diese Figur wirkt noch ungeheuer sympathisch durch ihre ungekünstelte, offene und verwirrte Art. Wirklich niemand kommt durchweg schlecht weg in diesem warmherzigen, romantischen Wohlfühlkino.

„Forgetting Sarah Marshall“ ist eine unübliche und sehr ruhige Komödie über ein universelles Problem, mit dem sich jeder Zuschauer ein Stück weit identifizieren kann. Der Film macht einen emotionalen Prozess sichtbar, ohne allzu stark zu vereinfachen oder auf eine extrem hohe Gag-Dichte zu bauen. Mit einem hervorragendem Hauptdarsteller bestens besetzt verliert die Apatow-Produktion niemals ihren Kerngedanken aus den Augen und lässt durchaus Raum für Melancholie. Auch wenn auf viele übliche RomCom-Mechanismen nicht verzichtet wird, ist das schon viel mehr als man erwarten darf. Eine der besten Komödien 2008.

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